Köln | Der Parteisekretär verhandelt – entgegen der offiziellen Parteilinie – mit den politischen Gegnern über eine Regierungsbildung. Deshalb soll er ermordet werden. „Die schmutzigen Hände“ – Jean Paul Sartres Stück über Überzeugung, Moral und Verrat in der Politik – hatte jetzt gefeierte Premiere im Schauspiel.

Ein Labyrinth aus Transparenten und verspiegelten Wänden beherrscht die Bühne. Immer wieder dreht es sich, verändert so den Blick auf das Geschehen und dessen Interpretation. Was war Fakt, was ist bloß Erinnerung – bewusst oder unbewusst verfälscht? Denn das ist, in einem politischen Kontext, eines der zentralen Themen des Dramas „Die schmutzigen Hände“. So wird das Bühnenbild von Wolfgang Menardi gleichsam zum Mitspieler.

Die Ausgangslage: Es herrscht Krieg im fiktiven Illyrien. Die faschistischen deutschen Besatzungstruppen ziehen sich zurück, die Kommunisten rücken als Befreier näher. Hoederer (Martin Reinke als durchtriebener Machtpolitiker mit menschlich-väterlichen Zügen), Parteisekretär der Kommunistischen Partei, verhandelt mit dem konservativen und nationalistischen Lager über die kommende Regierung seines Landes. Er will die Macht für seine Partei – gleichzeitig will er sie davor bewahren, für nötige Entscheidungen verantwortlich gemacht zu werden.

Die Parteiführung beauftragt den Mord am Parteisekretär

Doch das widerspricht der offiziellen Parteilinie. Olga (Katharina Schmalenberg) und Louis (Benjamin Höppner), Mitglieder der Parteiführung, beauftragen Hugo (Nikolaus Benda zwischen Parteigehorsam und den eigenen Moralvorstellungen schwankend), Hoederer zu erschießen. Der junge Intellektuelle will unbedingt „dazugehören“, er nimmt den Auftrag an. Als Privatsekretär hat er jede Möglichkeit, Hoederer zu erschießen – doch Skrupel hindern ihn.

Seine Ehefrau Jessica (elegant und verführerisch: Sophia Burtscher) passt als Adlige so gar nicht in diese Welt der Politik – und doch ist sie es, die Hugo zur Tat antreibt und ihm gleichzeitig vorschlägt, sich Hoederer zu offenbaren. Der Augenblick, in dem sie den Parteisekretär umarmt, ist keinesfalls eine heiße Liebesszene – doch sie weckt Hugos Eifersucht. Und er schießt.

Politischer Mord oder Mord aus Eifersucht?

War es ein politischer Mord oder Mord aus Eifersucht? Als Hugo aus dem Gefängnis entlassen wird, soll er mit Olga – sie wurde inzwischen seine Geliebte – diese Frage klären: Der Partei geht es um seine Zuverlässigkeit. Es beginnt die schwierige Rekonstruktion. Was Hugo nicht weiß: Der Wind hat sich inzwischen gedreht, Hoederer wird als Visionär gefeiert. Das Urteil ist klar: Hugo ist ein Verräter und wird von Louis erschossen.

Unter der Regie von Bastian Kraft liefert das Bühnenensemble ein faszinierendes, mitreißendes Spiel zu stets aktuellen Fragen: Wie wird Politik gemacht, wie flexibel dürfen Grundüberzeugungen gehandhabt werden, welche Mittel dürfen zur Umsetzung von Zielen eingesetzt werden? Eine Antwort macht Kraft sich und den Zuschauern nicht leicht. Neben dem schillernden Bühnenbild setzt er für die drei Hauptfiguren Doppelgänger ein, die die Ungewissheiten verstärken. Dazu erlauben Live-Videos auf zwei Großmonitoren den Blick auf unsichtbare Details oder die Gesichter der Akteure.

Wie viel Kompromisse darf ein Politiker machen?

„Die schmutzigen Hände“ hatte 1948 Premiere. Es war die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, als die von der Sowjetunion gesteuerten kommunistischen Parteien in den Ländern Osteuropas die Macht übernahmen, die dem sowjetischen Einflussbereich zugesprochen waren. Wie dies – oft genug gegen den Willen der Bevölkerung – geschah, raubte Sartre den Glauben an den realen Kommunismus.

Doch seine Abrechnung ist eine Allegorie auf das Geschäft der Politik. Wie brutal darf man sein, um seine Ziele zu erreichen, Wie ehrlich muss man sein? Kann man in einer Regierung mehr erreichen als aus der Opposition – und dabei glaubwürdig bleiben? Höderers Argumentation jedenfalls ist verführerisch – und kommt irgendwie aus der jüngsten deutschen Geschichte bekannt vor. Auch ohne Mord.

[infobox]„Die schmutzigen Hände“ – die nächsten Vorstellungen: 5., 10., 16., 17. (16 Uhr) und 21. Februar, jeweils 19.30 Uhr. Schauspiel Köln, Depot 1 im Carlswerk, Schanzenstr. 6-20, 51063 Köln-Mülheim, Karten: Tel. 0221 / 22 12 84 00, Fax 0221 / 22 12 82 49, E-Mail: tickets@buehnenkoeln.de, dazu alle Vorverkaufsstellen von KölnTicket. Kartenservice mit Vorverkauf und Abo-Büro in der Opernpassage zwischen Glockengasse und Breite Straße.

[/infobox]

Autor: ehu | Foto Krafft Angerer/Schauspiel
Foto: „Die schmutzigen Hände“: ein verwirrendes Spiel mit Spiegeln und Doppelgängern um Fakten und Erinnerungen. | Foto Krafft Angerer/Schauspiel.