Köln | Eine liberale, laizistische Gesellschaft will den Wahlsieg der Rechtsextremen verhindern. Dafür geht sie das Bündnis mit einem islamischen Politiker ein, der schließlich Scharia, Polygamie, Patriarchat und Theokratie einführt. Mit seinem Roman „Die Unterwerfung“ landete der Franzose Michel Houellebecq 2015 einen Bestseller. Inzwischen wurde er ein Hit auf deutschen Bühnen. Jetzt ist das Stück auch im Theater der Keller zu sehen.

Francois genießt seine Midlife-Krise: Mitte 40, frisch gekündigter Unidozent für Literatur, „Schwanz“-regiert kommt er bei den Frauen – insbesondere seinen Studentinnen – nicht mehr so an, wie er es in jungen Jahren gewohnt war. Gespielt wird er von Marc Fischer – von den fast 110 Minuten, die die Inszenierung dauert, bestreitet er 90 beeindruckend und mitreißend alleine auf der Bühne.

Marc Fischer überzeugt nicht nur mit porno-erotischen Schilderungen

Selbstironisch, charmant, neckisch, larmoyant, gelegentlich auch mit dem Publikum spielend zeigt Fischer unter der Regie von Hausherr Heinz Simon Keller ein faszinierendes Spektrum der Emotionen und Selbstbetrachtungen. Wobei ihm und dem Publikum die porno-erotischen Schilderungen, für die Houellebecq bekannt ist, sichtlich besonderes Vergnügen bereiten.

Eher im Hintergrund spielt die Politik: Der französische Wahlkampf zwischen Links und Rechts, den der islamische Politiker Mohammed Ben Abbes – von Bürgerlichen und Sozialisten unterstützt – schließlich im zweiten Wahlgang, gegen Marie Le Pen gewinnt. Die gewalttätigen Übergriffe, die die Machtübernahme begleiten, werden lediglich reportiert. Houellebecqs nüchterne und nachvollziehbare Kritik an der selbstgefällig-korrupten politischen Elite Frankreichs: Nebensache. Auch Fragen der westlichen Moral oder der fehlenden Religiosität scheinen für Francois in dieser Inszenierung eher ein theoretisches Gedankenspiel. Es geht um Macht, die Macht des Mannes über die Frau.

Pech für Francois: Seine Studentinnen sind jetzt verschleiert

Francois scheint der Wandel nicht zu treffen. Zwar wird ihm gekündigt, doch wird ihm eine großzügige Abfindung angeboten: Sie entspricht seinem Gehalt bis zur Rente. Gewiss: Da ist eine Unruhe in ihm, aus der ihm auch ein Meditationswochenende in einem katholischen Kloster nicht helfen kann. Die größte, schwerwiegendste Veränderung scheint für ihn die Schließung einer Bar zu sein. Und dass es wohl noch schwerer für ihn sein wird, eine der nun verschleierten Studentinnen zu verführen.

Zwischenspiel vor dem Schluss: Josef Tratnik fährt im Rollstuhl auf die Bühne. Er ist der neue Uni-Rektor. Natürlich ein Moslem. Er bietet Francois eine neue Stelle unter günstigsten Bedingungen an – Übertritt zum Islam wünschenswert. Und dank Polygamie muss sich Francois auch keine Sorgen um seine sexuellen Wünsche machen. Geht’s um Frauen, lüftet Tratnik – schmierig genießend – seine dunkle Sonnenbrille: Bei den Bedürfnissen des Mannes hat er den Durchblick.

Bekehrt sich Francois zum Islam? Das Ende bleibt offen

Ob Francois auf das verführerische Angebot eingeht, ob er ins ersehnte Patriarchat zurückfällt, bleibt offen. Immerhin malt er es sich im Konjunktiv eine goldene, sexerfüllte Zukunft aus, problemlose Konversion zum Islam inbegriffen.

Nicht zu vergessen – Fischer und Tratnik haben noch einen dritten Mitspieler: fünf große rote Regalwände, die hin und her geschoben werden können (Thomas Garvie ist für dieses vielschichtige Bühnenmobiliar verantwortlich). Sie können Räume öffnen, sie können erklettert und zum Hindernis werden. In ihren (leeren) Fächern hätte vielerlei Meinung Platz. Am Ende aber stehen sie wie eine Wand neben einander und zeigen dem Publikum ihre kahle, monotone Hinterseite.

[infobox]„Die Unterwerfung“ – die nächsten Vorstellungen: 23. und 30. September, 19., 22., 28. und 31. Oktober 2017, jeweils 20 Uhr, Theater der Keller, Kleingedankstr. 6, 50677 Köln, Karten: Tel. 0221 / 31 80 59 (Mo-Fr 10-17 Uhr), tickets@theater-der-keller.de, www.offticket.de, www.köln-ticket.de und an allen Vorverkaufsstellen.

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Autor: ehu | Foto: MeyerOriginals/TdK
Foto: Francois (Marc Fischer) sucht im Wirrwarr einen Weg aus dem Frust.