Das Böll-Jahr ist seit über zwei Monaten vorbei. Vom Theater der Keller kommt ein Nachschlag: Sandra Reitmayer hat – in Zusammenarbeit mit dem Kasemattentheater Luxemburg – die Nachkriegserzählung „Der Mann mit den Messern“ inszeniert und liefert eine mehr als fragwürdige Dekonstruktion ab.

Bölls Erzählung, erschienen 1948, lässt sich verstehen als Parabel auf die Schwierigkeiten, sich als Soldat nach dem Krieg wieder in einem geregelten bürgerlichen Leben zurecht zu finden. Die gesuchte Ordnung findet er erst in der Zusammenarbeit mit einem Kriegskameraden, der sich sein Geld als Messerwerfer in einem Variete verdient.

Es beginnt oben – und endet im unteren Theatersaal

Zu Beginn der Theaterfassung wird das Publikum in die obere Bühne des Theaterhauses gebeten. Wer Lust hat, darf auch schon früher hinein und den zerrissenen Text der Erzählung hören. Wenn sich alle versammelt haben, beginnt es noch einmal mit sonorer, wohltuender Stimme los: Ein Soldat kehrt aus dem Krieg zurück und schlägt sich so gerade durch. Dann trifft er den Kriegskameraden Jupp. Der ist Variete-Künstler geworden, Messerwerfer – mit den zwölf Messern, die als einziger Familienbesitz aus den Trümmern gerettet wurden. Jupp sucht einen Mitarbeiter als „Zielperson“. Weil er dafür kein „Weib“ („die sind zu bang“) findet, fragt er den Freund: „Hast du Mut?“ – und ab geht es gemeinsam in den unteren Theatersaal.

Die Nummer ist zu schlicht“ – und das Stück landet im Nirgendwo

Lücken, Wiederholungen, ein Vor und Zurück und unverständliche Passagen ( technische Probleme oder Absicht?) prägen die Textlesung. Ähnlich disparat präsentiert sich dann auch die darstellerische „Umsetzung“ des Textes. Besonders der Böllsche Satz „Die Nummer ist zu schlicht“ scheint es Reitmayer angetan zu haben, um immer neue erratische Eskapaden und Albernheiten auf die Bühne zu bringen.

Da wird gelallt, mit Klebestreifen primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale nachgeklebt, Pantomime probiert, das Bühnenlicht an- und ausgeknipst. Cowboyhüte und geblümte Tarnanzüge werden an- und ausgezogen, ein stramm am Körper liegendes Unterhemd zurechtgezupft. Johnny Cash und Frank Sinatra angespielt, die Blutgier des Publikums verlacht. Sabine Wolf und Philipp Sebastian sind zweifellos hervorragende Schauspielerinnen – diese Inszenierung versagt ihnen, ihr Können zu zeigen.

Bölls Protagonist findet am Ende zur ersehnten Sicherheit. Die gewährt diese Inszenierung nicht – dafür ist alles zu beliebig und oberflächlich. „Die Nummer ist zu schlicht“ – zum Glück ist alles nach einer knappen Stunde vorbei.

„Der Mann mit den Messern“ – die nächsten Vorstellungen: 31. März, 11., 21. und 27. April, jeweils 20 Uhr, Theater der Keller, Kleingedankstr. 6, 50677 Köln

Autor: ehu
Foto: Philipp Sebastian und Sabine Wolf: hilflos gegen die Dramatisierung von Bölls Erzählung „Der Mann mit den Messern“. Foto: MeyerOriginals / TdK