Köln | 44 Jahre war Kleingedankstr. 6 die Adresse des Theater der Keller. Lange schwebte die Kündigung über den Bühnen. Im Juli ist dort nun endgültig Schluss. Der Plan, auf dem Ebertplatz ein Provisorium zu bauen, zerschlug sich. Jetzt fand man für die kommende Spielzeit 2019/20 zeitweiligen Unterschlupf bei der Tanzfaktur am Deutzer Hafen. Ist der Hinterhof von Siegburger Str. 233 zu weit ab vom Schuss?

Die ehemalige Autowerkstatt in einem Hinterhof an der Siegburger Straße: Die Tanzfaktur will sie zu ihrer zweiten Bühne ausbauen.

Keller-Intendant Heinz Simon Keller ist optimistisch. „Ich bin voll fröhlicher Heiterkeit“, sagte er bei der Vorstellung des Spielplans für die kommende Spielzeit. Hauptsache, nach Jahren der Ungewissheit endlich eine Interimspielstätte gefunden zu haben. Und er erhofft sich Synergie-Effekte von der Zusammenarbeit mit „Gastgeber“ Tanzfaktur. Und umgekehrt. Hausherr Slava Gepner nennt unter anderem die Erfahrungen bei der Nutzung der „Werkhalle“, eine ehemaligen Autowerkstatt. Die könne man brauchen, wenn sie im Frühjahr 2020 noch einmal umgebaut wird.

Die Tanzfaktur eröffnet damit auch ihre zweite Bühne

Die Tanzfaktur eröffnet damit auch ihre zweite Bühne neben der schon bestehenden „Kammerbühne“ im Hauptgebäude. Darauf kann Gepner zu Recht stolz sein: Vor fünf Jahren hat er mit seiner Gruppe ohne einen Pfennig Geld angefangen, die ehemalige Möbelfabrik zu einem Tanzzentrum umzubauen. Heute genießt es Anerkennung weit über die Grenzen Kölns hinaus.

Doch noch schwebt ein Hauch Ungewissheit über der nächsten Spielzeit. „Wir schaffen das!“, zitiert Gepner einen mittlerweile berühmt-berüchtigten Satz. Der Antrag auf Dauernutzung der Halle für Tanz und Theater sei eingereicht, man hofft auf schnelle Genehmigung der Stadt. Dann heißt es, die 600 Quadratmeter große Halle mit Bühne und Zuschauerrampe auszustatten. Die Künstlergarderoben bleiben im Hauptgebäude, wo auch die Büros, Lager und Garderoben des Theaters unterkommen. 120 Zuschauer sollen in der Halle Platz finden, nach dem Umbau sogar 200.

Irmgard Keuns „Gigli“ eröffnet die neue Spielzeit

Schon im Sommer soll hier ein internationales Tanzfestival stattfinden. Und am 26. September will Keller die neue Spielstätte mit der Bühnenfassung von Irmgard Keuns Roman „Gilgi“ eröffnen – und dabei die alte Kölner Schriftstellerin mit der jungen konfrontieren. Auch die Theaterschule der Keller freut sich auf die die neue Auftrittsmöglichkeit. Unter der Regie von Fabian Rosonsky werden die Schülerinnen und Schüler „Nichts“ von Janne Teller aufführen – Stück über den Sinn des Lebens mit absurden Momenten.

Insgesamt stehen sechs Premieren an. Die weiteren sind „Die Mars-Chroniken“ nach Motiven von Ray Bradbury, Regisseurin Ulrike Janssen sucht hier nach Antwort auf die Frage: Kann ein Wir-Gefühl nur durch Abgrenzung von anderen enstehen? In „All das Schöne“ von Duncan Macmillan wird Regisseur Philipp Plessmann mit Matthias Köhler auch selber auf der Bühne stehen.

„Durch Tanz kann man Gewalt in einer ästhetischen Form darstellen“

„Fight Club“ von Chuck Palahniuk soll dann ein Beispiel für die Zusammenarbeit von Schauspiel und Tanz sein. Es ist die Geschichte eines apathischen jungen Mannes, der seinem anarchischen Gegenbild verfällt – eine Auseinandersetzung, die von Gewalt begleitet wird. „Durch Tanz kann man Gewalt in einer ästhetischen Form darstellen“, schwärmt Stefan Keller schon jetzt. Im März wird dann „Der Zauberer von Oz“ fortgeschrieben: Dorothy will das heile Märchenland nicht mehr verlassen – denn Kansas, das sie einst verlassen hat, ist zur Wüste geworden.

Aus der laufenden Spielzeit übernommen werden sechs Stücke: „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“, „Bilquiss“ (Kölner Theaterpreis 2017), „Clockwork Orange“, und die Dauerbrenner „Terror“ und „Tschick“. Sie müssen allerdings alle für die größere Bühne „umgeschrieben“ werden.

Und wie geht es 2020 weiter? Vorsorglich hat man bei Tanzfaktur eine Option auf Verlängerung vereinbart. Doch die will man nicht ziehen, geht stattdessen davon aus, am Kartäuserwall in der Nachbarschaft des Alten Pfandhauses den ehemaligen Kühlkeller einer Brauerei bespielen zu können. Ulrich Wackerhagen, Vorsitzender des Förderkreises Theater der Keller und sachkundiger Bürger für die FDP im Kulturausschuss, zeigt sich optimistisch: „Der Vertrag mit der LEG steht kurz vor der Unterschrift.“ Zuvor müsse aber noch ein Gutachten über die Mauerfeuchtigkeit erstellt werden. Laufzeit des angestrebten Mietvertrags: 40 Jahre.

Autor: ehu
Foto: Heinz Simon Keller, Chef des Theaters der Keller, in der noch leeren Halle: Sie soll die Interimspielstätte für die nächste Spielzeit werden.