Köln | Die Gesellschaft zerfällt in viele von unterschiedlichen Interessen geleitete Gruppen. Kommunikation zwischen ihnen gibt es kaum. Das Individuum fühlt sich allein gelassen, unfähig, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Schuld an der Misere sind die anderen, man selber ist unschuldig. Jetzt hatte „Unschuld“ von Dea Lohers im Theater der Keller Premiere.

Zwei Männer starren mit großen Augen ins Publikum hinaus aufs imaginäre Meer. Fadoul (Nedjo Osman), ein illegaler Einwanderer, murmelt leise Worte in Romanes ab. Sein Kumpel und Mitbewohner (Tuong Phuon) dagegen mit hektischen, Bewegungen thektischen Romanliebt Mit hektischen Bewegungen, vietnamesische Worte schreiend. Ruhig, wie erstarrt, auf Romanes eher leise murmelnd als Fadoul,. Eine rot gekleidete Frau (Katharina Waldau) taucht auf, zieht sich aus – und geht ins Wasser. Sie ertrinkt – später wirft sich Osman vor, dass er sie nicht gerettet hat.

Dem ehemaligen Hartz-V-Empfänger die Toten näher als die Lebenden

Nach und nach melden sich die anderen zu Wort. Der Hartz-IV-Empfänger (Klaus Nicola Holderbaum) hat endlich einen Job gefunden – in einem Bestattungsinstitut. Die Toten sind ihm bald näher als die Lebenden. Doch immerhin könnte er jetzt heiraten, ein Kind zeugen und aufziehen. Auch die künftige Ehefrau (Katharina Waldau) freut sich auf ein Kind. Doch da sind nicht nur die beengten Wohnverhältnisse vor, sondern auch ihre Mutter (Doris Plenert): Sie gönnt ihr das Kinderglück nicht, will über das Leben ihrer Tochter bestimmen, will von ihr umsorgt werden, nachdem ihr wegen Diabetes ein Fuß amputiert wurde.

Natalie Forster spielt neben einer Frau, die ihren Sohn sucht, noch eine blinde Nackttänzerin, in die sich Fadoul verliebt hat – doch sie nicht an ihrer Arbeitsstätte sehen will. Dann ist da noch die Philosophin (ebenfalls Katharina Waldau), die frustriert all ihre Schriften verbrannt hat.

Ein Zeitgeist-Stück, dass mehr auf Worte als auf Handlung setzt

„Unschuld“ ist eines der aktuellen Zeitgeist-Stücke, deren Autoren durchaus einen Blick für drängende aktuelle gesellschaftliche und individuelle Probleme haben. Diese breiten sie mit vielen Worten in Monologen und wenigen Dialogen aus, ohne ihren Protagonisten Raum und Zeit für eine – so oder so – nachvollziehbare Entwicklung zu geben. Von einer Handlung ganz zu schweigen.

Stattdessen ist die Regie gefordert, dem Publikum optische und akustische Reize zu geben, um es bei der Stange zu halten. Nada Kokotovic lässt in ihrer Inszenierung das Ensemble immer wieder über Sessel und Bierbänke klettern, kriechen, sich klammern. Dazu ein bisschen Striptease und Raufereien. Das rettet den Theaterabend trotz hervorragender Schauspieler letztlich aber auch nicht.

„Unschuld“ – die nächsten Vorstellungen: 26. September, 10. und 17. Oktober, jeweils m10 Uhr. Theater der Keller, Kleingedankstr. 6, 50677 Köln, Karten: Tel. 02 21 / 31 80 59 (Mo-Fr 10-17 Uhr), tickets@theater-der-keller.de und an allen Vorverkaufsstellen

Autor: ehu
Foto: Rosa (Katharina Waldau) und Franz (Klaus Nicola Holderbaum) wollen heiraten, ein Kind haben, Doch Rosas Mutter (Doris Plenert, hinten) ist dagegen. Foto: susebee/TdK