Köln | Die Kölner liebten Trude Herr , obwohl – oder weil – sie bei den Oberen immer wieder aneckte, ob als Schauspielerin, Schlagersängerin, Büttenrednerin oder Theaterbesitzerin. Mit einer Hommage an eine eigenwillige Persönlichkeit eröffnete jetzt das Theater im Bauturm die neue Spielzeit.

Es beginnt auf den Fidschi-Inseln, auf die sich Trude Herr (1927-1991) in ihren letzten Jahren zurückgezogen hatte. Auch um dort Champignons zu züchten – was dann nicht so klappte. Ihr Gesicht unter einem riesigen Sonnenhut versteckend, beginnt sie, ihr Leben Revue passieren zu lassen. Plötzlich taucht eine Riesenmöwe auf – sie aber rezitiert das Loblied auf eine Amsel.

Ihr Leben war eben schon immer widersprüchlich. Aus dem Traum der jungen Schauspielerin, einmal das Gretchen in „Faust“ zu spielen, wurde erst eine Rolle in „Max und Moritz“, dann die „komische fette Alte“ in zahlreichen Unterhaltungsfilmen. Daraus befreit hat sie sich erst, als sie – auch ohne städtische Subventionen – ein eigenes Theater an der Severinstraße gründete. Mit eigenen, zeitkritischen Stücken – modernes Volkstheater.

Trude Herrs Leben alles großes Puzzlespiel erzählt

Erzählt wird ihr Leben hier nicht als chronologische Dokumentation – auch wenn kurze historische Filmszenen eingespielt werden. Vielmehr setzt die Inszenierung es im Rückblick aus vielen kleinen Puzzlestücken zusammen. Puzzlestücke, die immer wieder bei der Gesellschaft, bei gängigen Klischees anecken.

Das Konzept der Nicht-Dokumentation manifestiert sich in der Besetzung der Titelrolle mit einem Mann, mit Matthias Buss. Er kann eben nicht Trude Herr sein – und ist es doch: durch exaltierter Gestik und Mimik. Durch Gesang und Tanz. Nicht zuletzt durch seine moppelige Figur, die er in ein Mieder zu pressen weiß. Aber er ist es auch durch blonde und schwarze Perücke, durch Flatterkleider.

Das ist keine Parodie, keine Imitation, sondern eine respektvolle Annäherung an das Vorbild. Wie das ganze 2-Personen-Stück (mit vollem Titel „Trude Herr – oder: Es ist besser, in der Sahara zu verdursten, als in Köln-Lindenthal zu sitzen und auf die Rente zu warten“).

Immer wieder Szenenapplaus für Matthias Buss

Begeistert geht das Publikum – immer wieder auch mit Szenenapplaus – mit, wenn Buss die Herr zitiert, ihren frechen Wortwitz gegen Willy Millowitsch und dessen „50 Jahre alten Schwänke“, gegen die Mitglieder des Festkomitees, die die Büttenrednerin aus dem Karnevalsgeschäft katapultierten – gegen den Protest der nicht-organisierten Narren.

Wenn Trude Herr sich durch ihr Leben ackert, bleibt nichts außen vor. Die Kindheit ohne Vater, der als Kommunist von den Nazis ins Zuchthaus gesteckt wurde. Die Höhen und Tiefen im Theater. Die Flucht in die Sahara, worüber sie einen satirischen Film drehte, der nie vom WDR ausgestrahlt wurde. Eine kurze Ehe. Die Freundschaft zum Fotografen Chargesheimer, der sie – als sie noch im Karneval auftreten durfte – von Auftritt zu Auftritt fuhr. Der Comebackversuch als Schlagersängerin mit Gunter Gabriel.

Manches geht dabei in Erinnerung. Doch Gustl Schellhardt (Sebastian Kreyer) rückt das wieder zurecht. Herr lernte den Schwulen 1949 bei der gemeinsamen Arbeit in der legendären „Barbarina-Bar“ kennen, seitdem begleitete er sie hilfreich durchs ganze Leben. Am Ende stllt er fest: „Die Erinnerungen werden blasser. Und vieles war nicht so tragisch, wie es sich anhört.“. Aber ein wunderbarer Stoff für wunderbare 90 Theaterminuten.

[infobox]„Trude Herr“ – die nächsten Vorstellungen: 7., 8. (15 Uhr), 28., 29. (18 Uhr) und 30. Oktober, jeweils 20 Uhr, Theater im Bauturm, Aachener Str. 24-26, 50674 Köln, www.theater-im-bauturm.de, Karten: Tel. 0221 / 52 42 42 und bei allen KölnTicket-Vorverkaufsstellen.

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Autor: ehu | Foto: MeyerOriginals / TiB
Foto: Matthias Buss als Trude Herr: Erinnerungsarbeit ist für die Titelheldin anstrengend – aber nicht für das Publikum.