Köln | Das 32. Kölner Sommerfestival in der Philharmonie setzt jede Woche einen neuen kulturellen Höhepunkt. Nach der gefeierten Premiere mit Stardust löste die Londoner Neuinszenierung von „Titanic – The Musical“ am gestrigen Abend Begeisterungsstürme des Kölner Premierenpublikums aus.

Die Bilder des fiktionalen Films von 1997

Die Geschichte der Titanic kennt jeder. Die Tragödie der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 als das Schiff einen Eisberg rammte und in den Fluten des eiskalten Nordatlantik versank löst bei vielen Menschen viele Bilder aus. Die können fiktional sein, wer etwa den Film mit Leonardo di Caprio und Kate Winslet sofort vor Augen und dem das Love Theme von „My Heart will go on“ gesunden von Céline Dion schon beim Lesen dieser Zeilen in den Ohren klingt. Aber das sind erfundene Geschichten.

Das Musical zeigt die Menschen und kommt der Wahrheit näher

Das Musical erzählt die Geschichten von Menschen an Bord der Titanic anhand von Recherchen und zeichnet damit ein realistischeres Bild. Dies beginnt mit der Begeisterung, als die Menschen das 53,33 Meter hohe Schiff zum ersten Mal sehen und ihre persönlichen aber auch die Träume einer ganzen Generation und ihren Stolz Teil dieser Jungfernfahrt zu sein, zum Ausdruck bringen. Diese beginnt in Southampton und endet am 15. April 1912 kurz nach zwei Uhr in einer Tiefe von 3803 Metern 21,7 Kilometer ostsüdöstlich der im Notruf angegebenen Position 41° 44′ N, 49° 57′ W. Mit rund 1.500 Todesopfern zählt das Schicksal der Titanic zu einem der größten Unglücke der zivilen Schifffahrt.

Die Charaktäre sind herausragend besetzt

Da sitzt im Scheinwerferlicht der Chefbaumeister der Titanic Thomas Andrews und feilt an den Plänen seines Schiffs, auch dann noch, als das Schicksal der Titanic besiegelt ist. Zu den ganz großen Szenen des Musicals zählt der gesungene Disput zwischen ihm und j. Bruce Ismay, dem Chef der White Star Line sowie dem Kapitän Edward Smith wer für den Untergang schuld sei mit „The Blame“. Es sind die Sängerinnen und Sänger, echte Typen, die Londoner Inszenierung so wuchtig und genial theatralisch werden lassen. Eindringlich die Szene als sich Isidor und Ida Strauss sich im Moment des Untergangs ihrer Liebe erneut versichern „Still“. Judith Street und Dudley Rogers geben ihnen ihre phantastischen Stimmen und Ausdruck. Das Publikum dankte es ihnen beim Schlussapplaus.

Im Bann der Individualschicksale von der ersten bis in die dritte Klasse und den Maschinenraum

Da sind wir dabei als die erste Klasse gemeinsam mit dem Kapitän diniert, ganz so wie die Traumschiff-Eopsioden es heute noch zeigen. Im Musical ignoriert der Kapitän die Eiswarnungen beim Essen. Wieder andere Warnungen kommen nicht an, weil die nicht zur Besatzung gehörenden Funker mehr private Funksprüche absetzen als dienstliche. Und als das Unvermeidbare Realität wird, wollen die First-Class-Passagiere nicht in die Rettungsboote und verhindern so die Rettung weiterer Passagiere. Auch der Konflikt zwischen 1. Klasse und 3. Klasse wird nicht ausgespart. Wer sich die Mühe macht, die Originalstatistiken sich anzusehen und die mittlerweile reflektierte Gesamtschau der Ereignisse, merkt sehr schnell wie eng das Musical, im Gegensatz zum Film von 1997 an der Wahrheit ist und wie akribisch Autor Peter Stone recherchierte.

Große Oper auf kleiner Bühne

Die Emotionen trägt die Musik. Die Musik ist mehr Oper als Musical. Schon zu Beginn bei „I must get on that ship“ fängt sie die Zuschauer ein. Bei „Doing the latest Rag“ tanzen die Passagiere der ersten Klasse ausgelassen und zeigen auf beeindruckende Art und Weise das Lebensgefühl der Epoche. Das Drama kündigt sich leise und eindringlich an, wenn Matrose Frederick Fleet ins Publikum blickt und singt „No Moon“ als er nach Eisbergen Ausschau hält und die See durch den fehlenden Mond so glatt ist, dass sich keine Wellen an dem Eisberg brechen können, der das Schicksal der Titanic besiegelt und dadurch erst spät zu erkennen war. Fleet läutet die Glocke, dreimal in Wahrheit. Es folgt der Weckruf „Wake up, Wake up“, dem nicht alle folgen wollen. Das „Finale“ fügt Drama und die Wünsche der Einzelnen zusammen, in einer großartigen Chorszene. Nach mehr als einer Stunde „Titanic – The Musical“ liegt nicht nur die Dramatik dieser Schifffahrt sondern auch wie unterschiedlich Menschen reagieren, heldenhaft oder feig, gesellschaftliche Brüche vor den Augen der Zuschauer, die die Philharmonie in Köln tief berührt verlassen – im Bann des großen Schiffes mit dem aufschneiderischen Namen, dass nur eine Reise tat.

„Titanic – The Musical“ ist große Oper auf kleiner Bühne, der es gelingt, durch eine exzellente Besetzung Musiktheater von Weltgeltung nach Köln im Rahmen des 32. Kölner Sommerfestivals zu bringen.

[infobox]„Titanic – The Musical“ ist noch bis zum 28. Juli in der Kölner Philharmonie zu sehen. Mehr Informationen: www.bb-promotion.com

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Autor: Andi Goral | Foto: Scott Rylander
Foto: Beim Boarding in Southampton herrscht noch große Freude. | Foto: Scott Rylander