Köln | Der Meisterdetektiv leidet unter seiner Bedeutungslosigkeit, bis kriegsentscheidende Pläne verschwinden – sein nächster Fall wartet. „Das Sherlock-Musical“ im Urania-Theater ist ein vergnügliches, ästhetisches Musical auf kleiner Bühne.

Sherlock Holmes geht’s nicht gut. Der Meisterdetektiv hat lange keinen Fall mehr gelöst, versinkt in Bedeutungslosigkeit, kommt vom Koks nicht los. „Ein stinkender, alter Griesgram“ sei er, stellt sein Assistent Watson so trocken wie ehrlich fest.

Doch dann die Chance: In den Wirren des 1. Weltkrieges wird ein französischer Professor für Luftfahrttechnik entführt, doch nicht nur das, er hat auch noch wertvolle, kriegsentscheidende Pläne bei sich. Kein Wunder, dass der britische Geheimdienst Sherlock Holmes beauftragt, doch auch der deutsche Spitzel Peter Müller soll sich auf die Suche nach Henry Quenault machen. Die Jagd beginnt. Und die Ohrwürmer auch. Der Song „Sherlock Sensation“ überzeugt schließlich auch den abgehalfterten Detektiv, die Arbeit aufzunehmen.

„Das Sherlock Musical“, bereits vor einem Jahr am Urania-Theater uraufgeführt, kommt überarbeitet und mit größerem Staraufgebot zurück. Das tut der Inszenierung gut: Claus Wilcke ist ein großartiger, routinierter, schlagfertiger Dr. Watson, und Anna Maria Kaufmann bringt als Mata Hari (noch dazu aufwändig ausgestattet von Naty Stephanus) den nötigen Musical-Glanz auf die Bühne.

Damals war Frieden in Europa weit entfernt

Ein weiteres Highlight sind die Tänzer der Delattre Dance Company. In ihren schwarz glänzenden Ganzkörper-Latexanzügen sind sie die kleinen Helferlein, die ruckzuck, unerkannt und unauffällig die Bühne umbauen. Doch nicht nur das. Die Choreographie (von Stephen Delattre) bringt eine höchst ästhetische, moderne und kontrastreiche Note ins Musical.

So entsteht ein Musical, das uns in eine Welt entführt, in der Frieden in Europa in weiter Ferne lag. Themen wie Brexit oder Backstop, das ganze Hin und Her, das wir heute manchmal als nervig empfinden, hätte man sich vor knapp hundert Jahren sehnlichst gewünscht.

Auch die Produktion selbst überwindet Grenzen, die damals noch kaum überwindbar waren, und drohen, wieder zu entstehen, denn „Das Sherlock Musical“ ist eine britische-deutsche Co-Produktion von Bettina Montazem und BBC-Autor Alan Wilkinson.

Langer, begeisterter Applaus

Das Musical findet so den richtigen Rhythmus aus Komik und Tragik, aus lustigen, ernsten und unbeschwerten Szenen – immer begleitet von passender, eingägiger Musik und gutem Gesang. Beeindruckend sind die Arien von Irene (Marie-Sophie Hammer), und auch Izzy (Lea Johanna Montazem) überzeugt, könnte jedoch noch etwas aus sich herauskommen – genau wie der Spitzel Peter (Simeon Long), der manchmal nicht mit der Musik mithalten kann. Nicht zuletzt gibt Richard Bargel einen sehr emotionalen, gar verletzlichen Sherlock Holmes, der dennoch seine Kombinationsgabe und seinen Instinkt nicht verloren hat. Seine charakteristische Stimme tut der Figur und der ganzen Inszenierung sehr gut.

Auch wenn die Lösung am Ende fast ein wenig zu schnell präsentiert wird, und ob die Liebe reicht, Kriege zu gewinnen, sei genauso dahingestellt sei wie die Frage, ob es sich wirklich um einen Thriller gehandelt hat. Das Publikum Belohnt „Das Sherlock-Musical“ mit euphorisch-begeistertem, langen Applaus. Zurecht, denn die Musik, die aufwändige Ausstattung, die Story und der Tanz fügen sich am Ende zu einem unterhaltsamen, vergnüglichen Musicalabend auf kleiner Bühne, der sich vor den großen nicht verstecken braucht.

[infobox]„Sherlock Holmes – Das Musical“ – die nächsten Termine: 27. und 29. September, 4. und 5., 11. und 12. Oktober, jeweils 20 Uhr. Urania Theater Ehrenfeld, Platenstr. 32, 50825 Köln, Tel. 0221 – 170 98 269.

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Autor: Fabian Schäfer
Foto: Kölns Blues-Legende Richard Bargel überzeugt im Urania-Theater auch als Titelheld in „Sherlock Holmes – Das Musical“. | Foto: Urania-Theater