Köln | Sie jetten um die Welt und beraten große Firmen. Sie sind ein eingespieltes Team, sind erfolgreich und wollen noch höher hinaus. Dann wird ihnen eine Frau vor die Nase gesetzt – und am Ende haben sie sich böse verzockt. „Die Zeit der Kannibalen“ versteht sich als Groteske auf den globalen Kapitalismus. Aus dem Kinofilm wurde ein Bühnenstück – jetzt hatte es im Theater der Keller Premiere.

Zwei karrieregeile Männer gemeinsam auf dem Weg nach ganz oben – trotz unterschiedlicher Charaktere. Kai Niederländer (Matthias Lühn) ist der arrogante Typ, der mit Vorliebe Hotelpersonal schikaniert, dazu noch ein weinerlicher Hypochonder und aktuell Single ist. Nur 34,4 Sekunden braucht er, um im Dunkeln seinen Koffer zu packen. Sein Partner Frank Öllers (Sebastian Schlemmer) hängt durch und am Dauertelefon mit seiner esoterisch angehauchten Frau, die sich von ihm scheiden lassen will, weil er nie zu Hause ist. Nur die Sorge um den dreijährigen Sohn verbindet sie.

Die Kollegin – Karriere nur ohne „typische“ Fraueneigenschaften

Dann taucht ihre Kollegin Bianca März (Katharina Waldau) auf: eine taffe Frau – alles andere als teamfördernd, einfühlsam oder risikoscheu, wie ihre Partner sie gerne hätte. Sie ist in einer „Geheimmission“ unterwegs, soll herausfinden, wer von den beiden als Partner in „the Company“ aufsteigen soll. Niederländer verrät sie ihre Mission, der wittert die Chance und zieht über seinen Partner her. Ins Bett geht sie dann aber mit Öllers. Dem Ehemann sind Seitensprünge nicht fremd – vor allem mit dem Hotelservice.  
Zum Schluss der Knall: Die Firma wird verkauft, wer sofort unterschreibt, kann neuer Partner werden. Die beiden Männer zögern nicht, sie will die Entscheidung überschlafen. Dann das böse Erwachen: Der neue Besitzer hat Bilanzen gefälscht, als Partner sind die Männer mit ihrem Privatvermögen haftbar. Bianca März dagegen ist fein raus.

Das internationale Business spielt sich in einer Blase ab

Bei ihren Einsätzen rund um die Welt leben sie in einer Blase, kriegen nichts von Armut und politischen Umwälzungen rund um sie herum mit. Während die drei im Hotel die nächsten Winkelzüge planen, läuft hinter ihnen als Projektion das nächtliche Stadtpanorama mit den Blitzen eines Bürgerkriegs. Und für sie das doppelte Verhängnis: Infolge eines internationalen Haftbefehls gesucht, wurden ihre Kreditkarten gesperrt – die Flucht per Flugzeug ist ihnen verbaut.
Die Inszenierung von Intendant Heinz Simon Keller lebt vor allem vom starken Bühnentrio: stimmgewaltig, emotional geladen, eins geworden mit ihren Berufsrollen und deren Brüchen. Bei Niederländer ist es die Angst vor Krankheiten, bei Öllers das private Chaos. Die schillerndste Persönlichkeit ist die März, die auch offen über ihre Widersprüche spricht: Eigentlich wollte sie als Ärztin den Armen der Welt helfen, war Mitglied in einer NGO. Doch weil das die Welt nicht veränderte, wurde sie internationale Unternehmensberaterin.

Das plus der Inszenierung: schweißtreibende Einsatz der Schauspieler

Der schweißtreibende Einsatz der Schauspieler auf leerer Bühne, die konsequente Regie, der vorantreibende Einsatz von Musik (Frank Schulte) und Video (Christoph Stec) sind das eindeutige Plus dieser Inszenierung. Doch da sind auf der anderen Seite die (Berufs-)Klischees: Das Stück spielt mit ihnen, erlaubt ihnen auch Zwischentöne, nimmt sie aber letztlich zu ernst, als dass daraus, trotz der zynisch-bissigen Dialoge, eine kapitalismuskritische (Boulevard-)Groteske wird.
Doch einen Trost gibt es zum Schluss: Das Artillerie-Gewitter über der Stadt verwandelt sich in ein Silvesterfeuerwerk und es ertönt vom Band das Biermann-Lied „Das kann doch nicht alles gewesen sein…“

[infobox]„Zeit der Kannibalen“ – die nächsten Termine: 2., 8., 17. (18 Uhr) und 21. Dezember, 11. Januar, jeweils 20 Uhr, Theater der Keller, Kleingedankstr. 6, 50677 Köln, Karten: Tel. 02 21 / 31 80 59 (Mo-Fr 10-17 Uhr), tickets@theater-der-keller.de, www.offticket.de, www.köln-ticket.de und an allen Vorverkaufsstellen.

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Autor: ehu | Foto: MeyerOriginals / TdK
Foto: „Die Zeit der Kannibalen“ mit Matthias Lühn, Katharina Waldau und Sebastian Schlemmer im Theater der keller. Foto: MeyerOriginals / TdK