Köln | Gabriele Conrath-Scholl, Leiterin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, zieht im Gespräch mit Christoph Mohr ihre ganz persönliche Kultur- und Kunstbilanz 2018 und blickt auf ein ereignisreiches Ausstellungsjahr 2019 der Photographsichen Sammlung. Kölner Stimmen hört in der Kultur und Kunst-Community nach.

Welche drei Künstler haben Sie in diesem Jahr begeistert?

Gerry Johansson
Das photographische Werk von Gerry Johansson (*1945) ist nahezu weltweit in unterschiedlichen Ländern und Kontinenten entstanden. Amerika, verschiedene deutsche Regionen, Impressionen aus Schweden, Italien, aber auch asiatische Städte wie Ulan Bator oder Tokio hat der Photograph aufgesucht. Topographische Strukturen, Wege und Straßen über Land oder im urbanen Raum, Wohnarchitekturen und industrielle Bauten zählen zu seinem Motivspektrum. Die Szenerien sind zumeist menschenleer, minimalistisch und von graphischen Formen geprägt sind die Bildkompositionen. Gerry Johansson verwendet eine analoge Mittelformatkamera und arbeitet seine Abzüge in feinen Tonabstufungen eigenhändig in der Dunkelkammer aus.

Paola De Pietri
Den Spuren historischer Ereignisse in der Landschaft, den Veränderungen städtischer und industrieller Räume geht die Photographin Paola De Pietri (*1960) nach. Mit den Mitteln der Farbphotographie, und auch in schwarzweiß, lotet sie in ihren stringenten wie ausgewogenen Kompositionen vorgefundene Strukturen aus und gibt dem Raum eine über sich hinausweisende weitere Dimension. Paola De Pietri ist den Hinterlassenschaften des Ersten Weltkriegs in den Alpen nachgegangen, hat sich mit der rasanten baulichen Veränderung von Istanbul befasst, hat am Beispiel von ehemaligen verlassenen Bauernhöfen die veränderten landwirtschaftlichen Bedingungen in Norditalien dargestellt. In der Zusammenschau der Projekte liegt dem künstlerischen Werk auch ein europäischer Anklang zugrunde.

Henry Wessel
Der in diesem Jahr verstorbene amerikanische Photograph Henry Wessel (1942–2018) hat sich in seinem umfangreichen Werk bevorzugt mit der kalifornischen Landschaft, den vorgefundenen baulichen Strukturen und Momenten alltäglichen Lebens auseinandergesetzt. Das besondere kalifornische Licht ist dabei eine zentrale bildbestimmende Komponente. Die luziden Schwarzweißaufnahmen sind von der Aura des Lichts geprägt, zeugen von Wessels Intuition und visuellem Gespür, die Dinge formal überzeugend, beschwingend wie poetisch abzubilden.
 
Welche drei Ausstellungen haben Sie in diesem Jahr begeistert?

Anni Albers, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Die Künstlerin Anni Albers (1899–1994) zählt zu der Riege von Frauen, die am Bauhaus in Weimar und später in Dessau ein künstlerisches Studium absolvierten. Albers fand Eingang in Klasse für Weberei, die sie später als Lehrerin leitete. Die Weberei blieb auch nach der Emigration nach Amerika ihre künstlerische Domaine, wenngleich sie sich im Laufe ihrer Karriere auch mit verschiedenen Drucktechniken befasste. Die Einzelausstellung in Düsseldorf, die gemeinsam mit der Tate Modern in London erarbeitet wurde, hat das Œuvre von Anni Albers in seiner ganzen innovativen Vielfalt und seinen zahlreichen Verbindung zu architektonischen Formen und zum Design präsentiert.

Andreas Gursky, Hayward Gallery, London
Die retrospektiv angelegte Schau zeigte über 60 großformatige Bildwerke des Künstlers Andreas Gursky (*1955). Beginnend mit Photographien aus den frühen 1980er-Jahren, zeigte die Ausstellung zahlreiche ikonische Motive wie etwa „Paris Montparnasse“ bis hin zu jüngsten Beispielen aus den Jahren 2016 und 2017. Das außerordentliche Werk von Gursky, der das Medium der Photographie von analogen ins digitale Zeitalter künstlerisch überführt hat, wurde mit dieser Ausstellung eindrucksvoll gewürdigt. Die Hayward Gallery eröffnete mit damit auch ihre Räumlichkeiten nach 2-jähriger Renovierungszeit.

Dorothea Lange. Poilitics of Seeing, Jeu de Paume, Paris
Die Einzelausstellung zeigte umfänglich jene thematischen Serien, für die Dorothea Lange (1895–1966) in der Geschichte der Photographie eine wichtige Bedeutung zukommt. Zentral ist ihre Arbeit für die Farm Security Administration in den 1930er-Jahren, während dessen das Portrait „Migrant Mother“ entstanden ist, eine visuelles Synonym für die von der Wirtschaftskrise besonders hart getroffenen Landarbeiter. Die Konsequenzen historisch-politischer Ereignisse für den einzelnen Menschen, die Geschichte Amerikas aus humanistischer Perspektive zu betrachten, ist ein Verdienst der Photographin Dorothea Lange.
 
Hier dürfen Sie ein bisschen Werbung für sich machen. Was dürfen wir von Ihnen in 2019 erwarten?

Bei uns im Mediapark sind noch bis zum 27. Januar 2019:
August Sander Meisterwerke, Photographien aus „Menschen des 20. Jahrhunderts“ (Raum 1);
Hugo Erfurth – Bildnisse (Raum 2) in Zusammenarbeit mit dem LVR-Landesmuseum Bonn;
Francesco Neri. Farmers. Photographien 2009 – 2018 (Raum 3+4.)  

Des weiteren zeigen wir in kommendem Jahr:
22. Februar bis 21. Juli 2019 (Eröffnung 21. Februar, 19.00 Uhr)):
Poesie der Pflanze – Photographien von Karl Blossfeldt und Jim Dine (Raum 1)
Roselyne Titaud – „Géographies des limites humaines“. Photographien (Raum 2,3,4)

ab 2. Mai 2019 – 21. Juli 2019 Roselyne Titaud – Die Hummerquadrille (Raum 3,4) im Rahmen des Projekts „Artist meets Archive“ in Kooperation mit der Internationalen Photoszene Köln (Raum 3,4)

6. September 2019 bis 9. Februar 2020 (EÖ 5. September, 19.00 Uhr)
Boris Becker – Hochbunker, Photographien von Architekturen und Artefakten (Raum1)
Alles weitere ist noch in Planung.

Autor: von Christoph Mohr