Köln | Die Galerie Jahn + Jahn in München entstand im Jahre 2017 aus dem Zusammenschluss der alten, 1978 gegründeten Galerie Fred Jahn, die große Namen wie Gerhard Richter oder Georg Baselitz vertrat, und der 2008 eröffneten Galerie Matthias Jahn, die sich auf junge Künstler fokussierte. Christoph Mohr befragte Matthias Jahn, was die Absage der Art Cologne 2020 für die Galerie bedeutet.

Trotz steigender Corona-Zahlen hat das Art Cologne-Management bis zuletzt an dem (vom Frühjahr auf den November verschobenen) Messetermin für die Art Cologne 2020 festgehalten. War das nun verrückt oder wagemutig?

Die Entscheidung der Messe, solange wie möglich an dem Termin festzuhalten, ist verständlich. Dennoch war es für uns und weitere Galerien, mit denen wir im Austausch sind, schwierig. Wir befanden uns sozusagen im luftleeren Raum, was die ganze Logistik und Planungen für die Messe angeht. Mit einer früheren Absage hätten wir uns viel Arbeit sparen können, aber es ist nun einmal ein Ausnahmezustand und da müssen wir flexibel sein und als Branche zusammenhalten. Deswegen macht es keinen Sinn irgendjemandem Versäumnisse vorzuwerfen.

Ihre Galerie war des Öfteren auf der Art Cologne vertreten. Wie wichtig ist die Art Cologne für Ihre Galerie?

Die Art Cologne ist die wichtigste deutsche Messe und zählt meiner Meinung nach auch zu den bedeutsamsten Messen in Europa. Sie ist geographisch gut gelegen und zieht dadurch eine internationale Sammlerschaft an. Die Stadt Köln ist seit Jahrzehnten ein großer Kunstmagnet. Die Art Cologne hat natürlich auch für uns einen hohen Stellenwert: Sie ist eine großartige Plattform, um ausgewählte Kunstwerke aus unserem Galerieprogramm einem breiten Fachpublikum zu präsentieren. Außerdem werden auf der Art Cologne nicht nur etablierte KünstlerInnen angenommen, sondern auch neue, junge Positionen, denen wir dort hervorragend eine Bühne bieten können, weil das Interesse an junger Kunst besonders groß ist.

Wie sehr trifft Sie die Absage?

Die Absage trifft uns natürlich, obwohl unser Galeriekonzept nicht primär auf Messeauftritte ausgelegt ist, wie vielleicht bei manch anderen Galerien. Messen sind nicht nur eine gute Möglichkeit Kunst zu verkaufen, sie sind vielmehr ein Treffpunkt, bei dem wir uns mit Kollegen austauschen können. Wir betreiben Marktanalysen, Socialising, treffen SammlerInnen und vieles mehr. Auf Messen kumuliert sich alles. Dies fällt jetzt weg und das ist, was uns am meisten trifft.

Sie sind auch auf die Art Basel 2019 gegangen. Wie sehen Sie Art Cologne und Art Basel im Vergleich?

Ich glaube, dass man die Art Basel nicht mit anderen Messen vergleichen kann und auch nicht sollte. Die Art Basel ist und bleibt der wichtigste Kunsttermin im Jahr. Das schafft sonst keine andere Messe.

Die meisten Galerien machen einen beträchtlichen Teil ihres Jahresumsatzes auf Kunstmessen. Fast alle wichtigen Kunstmessen weltweit, die Art Cologne, die Art Basel in Basel, Miami und Hong Kong, und viele weitere konnten nun in diesem Jahr nicht stattfinden.

Hier und da hört man, dass einzelne Galerien das Corona-Jahr 2020 nicht überleben werden. Halten Sie das für eine realistische Einschätzung der Lage oder für übertrieben?

Nicht nur Messen konnten nicht stattfinden, der ganze Galeriebetrieb war und ist dieses Jahr sehr eingeschränkt. Wir konnten auf Grund des Lockdown’s im März, April und Mai keine Ausstellungen eröffnen. Das hat unsere ganze Ausstellungsplanung durcheinander gebracht.

Jetzt im November schaut das Ganze nicht anders aus. Und wir wissen nicht, was da noch auf uns zukommt. Wie bereits erwähnt, ist unser Galeriekonzept nicht abhängig von Messeauftritten, deswegen sind wir auch verhältnismäßig gut durch das Jahr gekommen. Bestimmt hat es andere Galerien härter getroffen, was ich äußerst bedauere. Ein Glück hat mich bis jetzt aber noch keine Nachricht erreicht, dass eine mir bekannte Galerie schließen muss. Die Kunstbranche sollte in dieser Zeit stark zueinanderstehen.

Was halten Sie von Digitalformaten, mit denen Kunstmessen, Auktionshäuser und auch einzelne Galerien experimentieren?

Digitalisierung ist schon lange ein wichtiges Tool, um Sichtbarkeit zu generieren, auch für uns. Die ganze Welt digitalisiert sich, da hinkt der Kunstmarkt fast hinterher. Wir als Galerie konzentrieren uns momentan noch stärker auf das Digitale. Es ist aktuell die einzige Möglichkeit, ein breites Publikum anzusprechen oder sich selber weiterzubilden. Da es auch nicht möglich ist zu reisen, versuchen wir unsere Kontakte digital zu pflegen und zu knüpfen.

Ob das Digitalformat jemals den Besuch auf einer Messe oder in einer Galerie ersetzen wird, bezweifele ich jedoch stark. Kunst muss man mit all seinen Sinnen erleben. Da reicht der digitale Gedanke nicht aus. Momentan müssen wir aber darauf zurückgreifen, denn es bleibt uns nichts anderes übrig.

Sie sind als Galeristen ein „großer Name“ in München. Stimmt der Eindruck, dass das Münchner Publikum die Opern, Theater und Museen der Stadt liebt, aber wenig zeitgenössische/junge Kunst kauft und sammelt?

Das stimmt in meinen Augen überhaupt nicht. Ja, unsere Opernhäuser, Theater und Museen sind großartig, aber die junge Szene ebenso. Es gibt generell ein großes Interesse an junger Kunst und es wird auch gekauft. Nehmen Sie unsere neue Plattform „various others“ gerne als Bespiel, hier verbinden sich Traditionshäuser mit der jungen Szene und schaffen etwas neues: Einen kreativen und fruchtbaren Austausch. München hat mehr zu bieten, als viele denken. Als Basis fühlen wir uns hier sehr wohl!

München ist schön, aber sehr teuer. Viel zu teuer für junge Künstler? Oder anders gesagt: Die Museen sind in München, die Künstler in Berlin?

Die Mietsituation in München ist tatsächlich eine Katastrophe, die auch ich nicht beschönigen kann, trotzdem gibt es Nischen. Von unserem Galerieprogramm leben tatsächlich sehr wenige Künstler in Berlin. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich verschoben; jede Stadt hat seine Vor- und Nachteile. Es ist wichtig was man daraus macht.

Ein sehr „kaufkräftiges“ Münchner Museum ist das Museum Brandhorst, das auf die Sammlung und finanziellen Mittel von Udo und Anette Brandhorst aufbaut. Gut für München, schlecht für Köln (wo das Ehepaar Brandhorst beheimatet war). Wie wichtig ist das Museum Brandhorst für den Kunstmarkt?

Das Museum Brandhorst ist eine fantastische Bereicherung für die Museumslandschaft in München. Udo Brandhorst ist ein großartiger Sammler, der auf internationalem Parkett unterwegs ist, deswegen würde ich hier keinen großen Vorteil für den Münchner Kunstmarkt und seine Galerien sehen. Wir erfreuen uns an den spannenden Ausstellungen, die im Museum Brandhorst stattfinden, und das ist ebenso wichtig.

Ein Wort zum Haus der Kunst in München, einem der wichtigsten Orte für zeitgenössische Kunst in Deutschland, das in den letzten Jahren aber immer Negativschlagzeilen produziert hat.

Das Haus der Kunst hat leider in den letzten Jahren eine sehr schlechte Figur abgeben. Die Entscheidungen, die programmatisch getroffen worden sind, waren inkorrekt und nicht zeitgemäß. Es hat dadurch seinen Ruf nachhaltig beschädigt! Ich finde die Neubesetzung der Direktorenstelle mit Andrea Lissoni sehr spannend, und ich bin mir sicher, dass er es schaffen wird, den Diskurs wieder in die richtige Richtung zu lenken. Wir sind sehr gespannt darauf was kommt.

Interview: Christoph Mohr

Autor: Interview: Christoph Mohr
Foto: Screenshot des digitalen Showrooms der Galerie unter https://www.jahn.works/#/