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Das Werk „Mädchen, in ein Kohlebecken blasend (La fillette au braisier)“ von Georges de La Tour, einem der bedeutendsten Vertreter der Barockmalerei wird am 8. Dezember im Kölner Auktionshaus Lempertz versteigert.
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Auktionshaus Lempertz: Rekordverdächtiger Franzose
Köln | Das Kölner Auktionshaus Lempertz versteigert am 8. Dezember 2020 die hochkarätige Sammlung Alter Meister des verstorbenen Unternehmers Heinrich Bischoff. Auf dem Programm ein Bild des französischen Malers Georges de La Tour. „La Fillette au Braisier" (wörtlich „Mädchen, in ein Kohlebecken blasend"), das wohl das letzte Gemälde des französischen Meistermalers, das nicht in einem Museum hängt, könnte ein Auktionsrekord in Deutschland werden. Christoph Mohr befragte Lempertz-Chef Prof. Henrik Hanstein.
Wer ist Georges de La Tour? Oder besser: Warum ist dieser Maler, der vor vierhundert Jahren im heute zu Frankreich gehörenden Lothringen lebte, bedeutend?
Georges de La Tour (1593 bis 1652) gilt seit seiner Wiederentdeckung im 20. Jahrhundert als einer der größten Maler Frankreichs, als „Maler der Wirklichkeit". Wir verstehen seine Sprache heute genauso wie im 17. Jahrhundert. Er war Avantgarde in seiner Zeit und wir empfinden ihn heute noch als modern, konzentriert und kontemplativ. Er war ein Genie. Das sieht man heute eher als vor 350 Jahren. Er erlebte den 30-jährigen Krieg mit allen Nöten, Seuchen und Plünderungen.
Wenn wir es richtig sehen, ist Georges de La Tour in Deutschland nur in einem einzigen Museum vertreten, in der Gemäldegalerie Berlin mit einer "Auffindung des Hlg. Sebastian".
Und mit dem Frühwerk „Das alternde Bauernpaar". Das Werk wurde erst wiederentdeckt und die Zuschreibungen waren mit Bedacht zu nehmen. Circa 50 gesicherte Werke kennen wir heute; nicht alle sind signiert. Das bei Lempertz angebotene Gemälde wurde 1940 entdeckt und die Signatur erkannte man erst bei der Restaurierung. Es ist das letzte „Nachtbild" von Georges de La Tour in Privatbesitz.
Spielen wir das Lieblingsspiel von Kunsthistorikern, also Attribution (Zuschreibung) und Datierung. Was lässt Sie sicher sein, dass dieses Bild von Georges de La Tour (und nicht von einem anderen Maler in seiner Umkreis oder seiner Werkstatt) stammt und 1646 oder 1648 gemalt wurde?
Es ist signiert und aus der Zeit, in allen Werkverzeichnissen aufgeführt und wurde intensiv von dem renommierten Gold Smith Institute untersucht. Das Bild wurde im Louvre anlässlich der großen Retrospektive gefeiert und anschließend ebenso noch in vielen Museen.
Das Bild erinnert mit seinen Hell-Dunkel an das Chiaroscuro des italienischen Malers Caravaggio (1571 – 1610). Gibt es da eine Verbindung?
Ja, für uns schon, aber wir wissen nicht, ob Georges de La Tour in Italien war und ob er Caravaggio gesehen hat – er stammte aus armen Verhältnissen.
Das Bild ist ein „Nachtstück", also die Darstellung einer nächtlichen Szene, wie es sie in der niederländischen Malerei, berühmt natürlich die „Nachtwache" von Rembrandt, häufiger gibt. Hat das eine besondere Aussage, will das Bild, das eine junge Frau im Schein glühender Kohlen („La Fillette au brasier") zeigt, etwas sagen, oder ist es vor allem der Beweis für die handwerkliche Meisterschaft des Malers?
Es gibt seine Tag- und seine Nachtbilder. Letztere wurden besonders berühmt. Einige Kerzenbilder könnten auch Gerhard Richter inspiriert haben. Die Nachtbilder konzentrieren sich auf das faszinierende Lichtspiel und wirken geradezu mystisch.
Weiß man, wer seinerzeit solche Gemälde gekauft hat?
Auch König Ludwig XVIII. in Frankreich – aber wir wissen leider sehr wenig über Georges de La Tours Leben. Er war wohl kurz in Paris, ist aber ansonsten im Herzogtum Lothringen geblieben – nicht ohne Erfolg. Er wurde sogar „Peintre ordinaire du Roy".
In Ihrem Katalog schreiben Sie, dass das Gemälde populär (gewesen) sei. Was meinen Sie damit?
Populär, weil verständlich, nicht überladen mit schwerer Ikonographie. Es spricht direkt und unverfälscht an. Es berührt. Es mag ein Gegenstück geben, „Young Man Blowing on a Firebrand" im Fuji Art Museum in Tokio.
Georges de La Tour war in Lunéville beheimatet, wo er auch erfolgreich eine Werkstatt betrieb. Den Ort Lunéville in Lothringen muss man heute auf der Landkarte suchen. Wie konnte dort ein Künstler erfolgreich sein, der heute zu den großen Namen der französischen Kunstgeschichte gezählt wird?
Im Abseits entsteht oft Großes. Siehe auch Cézanne. Die größten Kunstströmungen in Deutschland kamen auch aus der Provinz wie Weimar und Dresden.
Der Künstler Georges de La Tour war lange völlig vergessen. Seine Wiederentdeckung ist in Ihrem Katalog zu lesen, ist Hermann Voss zu verdanken, einem deutschen Kunsthistoriker und Museumsmann, der sich später mit den Nazis gemein machte und sogar das so genannte „Führermuseum" in Linz aufbauen sollte. Was genau „entdeckte" Hermann Voss?
Er war nicht nur der begabte Hermann Voss, der später leider entartete. Voss gab einen Anstoß. Es waren aber der französische Kunsthistoriker Jacques Thuillier und später Pierre Rosenberg, der nachmalige Direktor des Louvre. Das ließen sich die Franzosen nicht nehmen.
Und wie verlief die Wiederentdeckung von Georges de La Tour in Frankreich?
1940 wurde unser Bild entdeckt und ab da nahm es seinen Lauf. Der Sammler Dr. Bischoff erwarb es 1975 in London. Danach wanderte es von einem Museum zum anderen - ein Publikumsliebling. Unser Bild könnte auch Chardin beeinflusst haben.
Das Bild stammt aus der Sammlung des 2005 verstorbenen Unternehmers Hinrich Bischoff, der vor allem als Gründer der Fluggesellschaft Germania bekannt ist. Weniger bekannt ist, dass Bischoff auch ein Kunstsammler „mit unbestechlichem Auge" war. Sie kannten Hinrich Bischoff persönlich. Was war das für ein Mann?
Ein schneller Denker und Entscheider. Hochintelligent, wagemutig und leidenschaftlich in der Kunst. Ein großer und leidenschaftliche Connaisseur. Einer der drei besten deutschen Altmeistersammler.
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Und zu dieser Zeit in Köln
Im Entstehungsjahr (1646/48) von „La Fillette au Braisier" wütete in Deutschland der Dreißigjährige Krieg (1618 – 48). Die freie Reichsstadt Köln blieb unversehrt, ja verdiente sogar gut an dem Krieg durch Waffenproduktion und -handel. Reitergeneral Jan Werth machte seine Kriegsgeschäfte in Köln. 1642 verstarb Maria von Medici, die Mutter der späteren französischen Königs Ludwig XIII, einsam und verarmt in Rubens' Haus in Köln in der Sternengasse – in dem später einmal Henrik Hanstein wohnen würde (!). Ludwig XIV (1638 – 1715), bekannt als „Sonnenkönig" und Erbauer von Schloss Versailles, war noch minderjährig. Der Kölner Dom war in dieser Zeit der 300jährigen Bauunterbrechung (1528-1823) nur ein Torso mit einem Drehkran auf dem Stumpf des Südturms.
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Alte Meister sind ein Standbein des Auktionshauses Lempertz. Wer kauft sich heute, manchmal für mehrere Hunderttausend Euro, ein solches Gemälde?
Ein Kenner, kein Investor. Umso älter unsere Bilder, desto internationaler die Kunden. Von den deutschen Kunden für Alte Meister könnten wir nicht leben.
Wie sieht es bei solchen Sammlern zu Hause aus? Hängen dann die Alten Meister über dem Sofa im Wohnzimmer?
Über meine Kunden spreche ich nicht. Es gibt aber viele Sammler – besonders im Ausland – die alt und modern mischen. De La Tour war auch mal ein zeitgenössischer Maler.
Vor nunmehr acht Jahren versteigerte Lempertz ein Gemälde des niederländischen Alten Meisters Gerard Dou (1613 – 1675), also eines Zeitgenossen von Georges de La Tour, für 3,8 Millionen Euro. Das war damit das teuerste Altmeister-Gemälde, das jemals in Deutschland, versteigert worden ist. Sie taxieren das Georges de La Tour-Bild nun auf 3-4 Millionen Euro. Erklären Sie einem Laien, wie es zu solchen Bewertungen kommt.
Vergleichbar mit ähnlichen Werken von Künstlern seiner Klasse. Das Gemälde kann auch wesentlich teurer werden. Es ist das letzte „Nachtgemälde" in Privatbesitz eines kleinen Oeuvres.
Wieviel Symbolwert hätte ein solcher Auktionsrekord?
Er könnte ein Beweis für die Internationalität des hiesigen Kunstmarktes sein. Es kommt auf das Angebot an und nicht auf den Standort.
Nun leben wir gegenwärtig in nicht normalen Pandemie-Zeiten. Welche Auswirkungen hat das auf ein Auktionshaus wie Lempertz?
Bisher zum Glück kein sonderlichen. 2020 wird wohl sogar umsatzstärker als 2019 sein – nicht nur wegen der Sammlung Dr. Dr. H. und I. Bischoff. Wir waren schon vor der Pandemie bestens digitalisiert.
Was halten Sie vom Kunsthandel im Internet?
Das wird wohl überschätzt. Das Mitbieten via Internet und Telefon an einer Präsenzauktion ist der große Vorteil. Man muss die Bilder besichtigen können.
Ein Auktionshaus ist kein Museum und keine Galerie. Freuen Sie sich trotzdem über Besucher?
Jetzt mehr denn je.
Interview: Christoph Mohr
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