Bonn | Wild wuchert das Getreide in Feuerschalen. Kreisrunde, rostige Sägeblätter liegen verstreut auf dem weißen Museumsboden. Noch immer zeugen verstreute Körner von den vielen Händen, die in einem Kalbsmilchsack nach Samen gegriffen haben. „Das ist Facebook auf altmodisch“, sagt die Künstlerin der Installation, die nur Matre genannt werden will. Alle Frauen der Welt sollten das Getreide vom Bonner Frauenmuseum bei sich aussäen und so gemeinsam am Kreislauf des Lebens teilhaben. „Waristwird“ trifft ins Schwarze der Museumspolitik: Das nach eigenen Angaben älteste Frauenmuseum der Welt will in einem neu gegründeten, internationalen Verein seine Ideen mit den rund 40 Häusern weltweit teilen.

Frisches Grün keimt in einer der Feuerschalen. Vielleicht hat Matre eine Vision gehabt, als sie Anfang Mai ihre Arbeit für die Ausstellung „Das grüne Haus“ installierte. Mit „The International Association of Women’s Museums“ ist ein Verein entstanden, der sich für eine intensivere weltweite Wahrnehmung der Frauenmuseen einsetzt. „Wir wollen unsere Sichtbarkeit und Akzeptanz stärken“, betont Bettina Bab, die neue Vorsitzende. Traditionelle Museen kümmerten sich viel zu wenig um Frauen. Mit Schrecken erinnert sich die Geschichtswissenschaftlerin an einen Besuch im Madrider Museo Nacional del Prado: „Dort hängen über 1.000 Werke, aber nur 2 von Frauen. Manche Arbeiten liegen sogar verstaubt in der Ecke.“

„Es ist wichtig, Vorbilder zu zeigen“

Museumssprecherin Klaudia Nebelin spricht deutlich über die noch immer bestehenden Vorurteile: „Wir sind keine radikalen, lesbischen Emanzen mit kurz geschorenen Haaren.“ Es habe sich leider ein falscher Eindruck in den Köpfen festgesetzt. Betroffen schweift ihr Blick durch die Ausstellungsräume des ehemaligen Kleiderkaufhauses, vorbei an einem wie ein Flipper aussehenden Linsenkasten und einer rautenförmigen Steinformation. Die Künstlerin Mary Bauermeister hat es geschafft: Die Anerkennung für ihre Welten aus Glas, Linsen und feinen Tuschezeichnungen in weißen Holzkästen hat sie sich hart erarbeitet – in Künstlerkreisen, denen namhafte Vertreter wie Marcel Duchamp, Joseph Beuys, John Cage und Robert Rauschenberg angehörten.

„Es ist wichtig, Vorbilder zu zeigen“, erklärt Bab. Das Frauenmuseum sammle deshalb Flyer und Kataloge von Ausstellungen, bereits 20.000 Künstlerinnen seien im Archiv vertreten. Matre und ihren Feuerschalen dürfte schon ein Platz eingeräumt sein. Der Keim sprießt, gedeiht, verwelkt. Trockene Halme bleiben zurück. „Das hat viel mit dem Frausein zu tun, mit dem Kommen und Gehen der Fruchtbarkeit“, verrät sie. Es müsse etwas vergehen, damit etwas Neues entstehen könne. Die 53-Jährige genügt dem Anspruch des Museums, die Kunst und Kulturgeschichte der Frau erfahrbar zu machen.

Satte Erlöse lassen sich mit der Kunst von Frauen jedoch meist nicht erzielen. „Es heißt, die Männer sind eben besser, deshalb werden ihre Werke gekauft“, zitiert Nebelin eine oft gehörte Floskel. Nachdenklich blickt sie in Bauermeisters Linsenkasten, so als suche sie in den verschwommenen Vergrößerungen nach einer Lösung für ihr Problem. Der neue Verein müsse die finanzielle Situation verbessern – von Künstlerinnen und Frauenmuseen gleichermaßen. „Die meisten Häuser sind privat finanziert, das Geld ist knapp“, erklärt Bab. „In Bonn übernimmt die Stadt zumindest Miete und Strom, aber keinen Cent für Ausstellungen“, bedauert sie.

Verein strebt Sektion beim weltgrößten Museumsverband an

Wendy Hack hat mit kleinen Ästen „Waldschöne“ geflochten. „Ich war von dem Grün hier total fasziniert, als ich aus China zurückkam“, sagt die 57-Jährige, die nun seit einem Dreiviertel Jahr in einem Atelier im Frauenmuseum arbeitet. Auch Homa Emami kommt mit einfachen künstlerischen Mitteln aus: Sie hat Plastikflaschen aufgestellt. Filigrane Strohhalme mit Fotografien von Blättern aus aller Welt stecken darin. Emami hat eine Oase gezaubert, die die Gegensätze von Kultur, Religion und Sprache aufhebt. „Der Garten ist ein Ort, in dem man sich zu Hause fühlt, egal in welchem Land man ist“, erklärt die 48-Jährige. „Ich bin total überrascht, von der Herzlichkeit im Frauenmuseum“, schwärmt sie.

Wie zur Bestätigung drückt Matre ihr ein grün-weiß-kariertes Säckchen gefüllt mit Weizenkörnern in die Hand. „Das ist in meiner Kultur eine alte Tradition: Wir säen die Samen zum neuen Jahr aus und 13 Tage später pflanzen wir die Keimlinge ein, wo sie Wasser haben“, sagt Emami sichtlich gerührt. Der kulturelle Austausch ist gelungen. Vielleicht ist auch der neu gegründete Verein bald offiziell eingetragen. Dann erfüllt er laut Bab sogar die Voraussetzungen für eine eigene Sektion beim International Committee of Museums (ICOM), dem weltweit größten Museumsverband. Die Anstrengungen für mehr Akzeptanz könnten also schon bald erste Früchte tragen.

Autor: Sandra Hottenrott, dapd | Foto: Hermann J. Knippertz/dapd
Foto: Künstlerin Wendy Hack in ihrem Atelier im Frauenmuseum in Bonn mit einem Bauhelm aus ihrem Projekt „Hat Spirit 2008“ (2008) vor ihrer Schuh-Installation „Every step one makes“.