Ein Künstler geht auf die Reise

Brühl | Der gebürtige Leipziger Max Beckmann gilt als der große deutsche Maler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er war der Maler, der in einer hohen Qualität existenzielle Themen in seinem Schaffen umgesetzt hat. Das grafische Werk des Künstlers ist dagegen weit weniger bekannt, obwohl es eine Phase seines Lebens ganz maßgeblich bestimmt hat. Diesem widmet sich eine große Sonderausstellung unter dem Titel „Day and Dream. Eine Reise von Berlin nach New York“, die ab Sonntag im Max-Ernst-Museum in Brühl zu sehen ist. Dort werden insgesamt 141 Arbeiten Beckmanns gezeigt – neben den Zeichnungen und Radierungen gibt es auch sechs Gemälde mit Landschaften und Porträts sowie eine seiner seltenen Bronzeplastiken zu sehen, in der sich der Künstler selbst porträtiert hat.

In seinem Schaffen und seinem Leben war der Erste Weltkrieg eine erste, radikale Zäsur. Als Kriegsfreiwilliger wurde Beckmann Sanitätssoldat und erlebte die Vernichtung und den Tod in den Lazaretten und OP-Sälen hautnah. Dies führte beim Künstler zu einem schweren Nervenzusammenbruch, nachdem er zunächst beurlaubt und später entlassen wurde. Nun suchte Beckmann nach einer neuen, den wahnsinnigen Erlebnissen im Krieg entsprechenden, expressiven Bildsprache, die er in den Zeichnungen und Radierungen fand. Zwischen 1911 und 1924 entstanden 80 Prozent seines grafischen Werkes, von dem die Ausstellung jetzt einen repräsentativen Ausschnitt zeigt und es so den Besuchern ermöglicht, Max Beckmann neu für sich zu entdecken.

Die Arbeiten repräsentieren auch einen Menschen, der sich ständig auf der Suche nach den Antworten auf die großen existenziellen Fragen und nach den dafür geeigneten künstlerischen Ausdrucksformen befand. Und es ist ein Künstler, der viel auf Reisen war und der immer wieder neue Stationen in seinem Leben hatte – von Berlin über Frankfurt bis nach Amsterdam und schließlich New York. Der häufige Wechsel seiner Lebensstationen wurde prägend für sein Werk.

Es sind reale Reisen Beckmann, aber auch Reisen in Gedanken und in den Träumen. Das gilt für die Zeit des achtjährigen Exils in Amsterdam, wo der Künstler lebte, nachdem er und sein Werk immer mehr ins Visier der Nationalsozialisten geraten und nachdem der Zweite Weltkrieg ausgebrochen war. Direkt zu Beginn der Ausstellung zeigt das „Selbstbildnis mit steifem Hut“ von 1921 den Künstler als selbstbewussten Reisenden mit einer Melone auf dem Kopf. Später sind es Gemälde wie „Die kleine italienische Landschaft“ oder der „Nachtgarten bei Cap Martin“, die für seine unerfüllte Reisesehnsucht stehen.

Ein Teil der gezeigten Grafiken sind Beckmanns erster Frau Minna Tube gewidmet. Sie entstanden auf einer kleinen Druck- und Radierpresse, die Beckmann sein ganzes Leben mit sich führte und auf Handprobedrucke erstellt wurden, mit denen der Künstler das Ergebnis seiner Radierungen direkt überprüfen konnte. Die Drucke aus den Jahren zwischen 1911 und 1924 hat Beckmann mit sehr persönlichen Widmungen für seine Frau versehen. „Das sind persönliche und sensible Auseinandersetzungen mit der Technik, die sich Beckmann gerade angeeignet hatte. Hier werden Aspekte in seinem Schaffen beleuchtet, die nicht so bekannt sind“, erklärt Museumsdirektor und Kurator Achim Sommer. Zu sehen gibt es auch fünf große Mappenwerke, darunter auch die titelgebende Suite „Day and Dream“.

Gastkurator der Ausstellung ist Ralph Jentsch, der bereits 2011 eine Ausstellung zu George Grosz im Max-Ernst-Museum kuratiert hat. Mit der Schau realisiert er nach gut 20 Jahren Pläne für zwei Ausstellungen, die eigentlich für die Guggenheim-Museen in New York und Venedig geplant waren. Im Titel verbinden sich die Themenmappen „Day & Dream“ sowie „Berliner Reise“. Die Sonderausstellung, die noch bis zum 28. Februar zu sehen ist, gibt den Besuchern neue Einblicke in die 50 Schaffensjahre von Max Beckmann, indem sie den ungewohnten Fokus auf das druckgrafische und zeichnerische Werk wirft.

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Max Beckmann

Ort Max-Ernst-Museum, Comesstraße 42, in Brühl

Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag, 11 bis 17 Uhr

Eintritt Erwachsene: 8,50 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Eintritt frei.

Aktion Inspiriert von Beckmanns Selbstbildnissen gibt es im Museum eine Station, an der Besucher nach dem Rundgang selbst ein „Porträt mit Maske“ erstellen und online teilen können.

Autor: Von Stephan Eppinger