Köln | Regelmäßig landeten ihre Fotos von den jüngsten Kriegs- und Krisenregionen auf den Titelseiten der internationalen Presse. Ihre Aufnahmen wurden zu Ikonen der Geschichte. Vor fünf Jahren, am 4. April 2014, wurde Anja Niedringhausen in Afghanistan von einem Attentäter erschossen. Das Käthe-Kollwitz-Museum ehrt die „Bilderkriegerin“ jetzt mit der ersten postumen Retrospektive.

Anja Niedringhaus bei den Olympischen Spielen 2004 in Athgen, fotografiert von ihrer Kollegin Jerry Lampen. © Jerry Lampen

Anja Niedringhausen, 1965 in Höxter geboren, gilt als eine der bedeutendsten Kriegsfotografen. Dabei wollte sie nie Kroegsfotografin werden. Doch sie wurde ab 1991 von ihren Arbeitgebern – unter anderem der Presseagentur AP – ins zerfallende Jugoslawien geschickt, nach Kuwait, Libyen, Irak und Afghanistan.

Ihr Augenmerk galt eher den Opfern des Krieges

Zwar begleitete sie regelmäßig US- oder UN-Truppen bei ihren Einsätzen – dabei wurde auch sie einmal von einer Granate verletzt –, doch sind in dieser Ausstellung Bilder von eigentlichen Kriegshandlungen in der Minderzahl. Und wenn sie tote oder sterbende Soldaten fotografiert, geschieht dies immer mit spürbarer Anteilnahme und ohne Sensationshascherei., sie zeigt sie voller Respekt. Ihr Augenmerk galt aber eher den Opfern des Krieges – Soldaten gehören dazu.

Die hatte den Blick für die verstörenden Momente und die absurden Situationen am Rande des Geschehens. Etwa das kleine Mädchen, das sich die Ohren vor dem vorbeimarschierenden GI zuhält. Die afghanische Sicherheitskraft, die sich in einem mit einem Pinup-Girl betrachtet. Den Weihnachtsmann inmitten eines US-Bataillons. Straßenmusiker in Sarajevo, dahinter – angeschnitten ohne Kopf – ein bewaffneter Soldat. Die Rückenansicht eines US-Marines in Falludscha, an dessen Rucksack eine Action-Figur als Talisman hängt.

„Alltagsfotos“ lassen die Liebe zu Afghanistan erspüren

Der größte Raum der Ausstellung zeigt Fotos, die dokumentieren, wie in Afghanistan versucht wird, einen „normalen Alltag“ zu leben. Zu sehen sind Kinder, die unbekümmert einen Drachen steigen lassen oder mit einer Spielzeugpistole Kettenkarrussell fahren. Handwerker bei der Arbeit, Besucher einer Moschee. Hier lässt sich Niedringhaus’ Liebe zu diesem Land und seinen Bewohnern erspüren.

Porträts sind dabei – auch dies eine ihrer Spezialitäten. Eher Splitter sind hier Aufnahmen anderer Ereignisse. So Willy Brand bei einer Rede 1990 in Leipzig. Oder ein müder Papst Paul Johannes II bei seinem Slowakei-Besuch 2013, der sich die Hände vors Gesicht hält.

Niedringhause war nicht nur immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Sie hatte auch den Profi-Blick für die „richtige“ Komposition, was sie durchaus in die Nähe von Fotokünstlerin rückt. Das gilt etwa für die Feuerwehrleute, die sich als dunkle Silhouetten vor den Staub des einstürzenden Worldtrade-Centers schieben. Oder das Zivilisten aus der Flucht aus dem bombardierten Basra/Irak zeigt: Im zentralen Vordergrund erinnert eine schwarz gekleidete Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm an eine christliche Madonna, im Hintergrund eine kleine Menschengruppe und eine schwarze Rauchwolke, die den Himmel verfinstert. Es sind Fotos, die das Bild der Welt von diesen Ereignissen prägen.    

2005 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet

Weniger bekannt ist die Sportfotografin Anja Niedringhaus. Dabei macht dies gut die Hälfte ihres Werks aus. Auch davon zeigt das Museum eine kleine Auswahl. Sie arbeitete etwa in Wimbledon oder bei den Olympischen Spielen, war auch hier im richtigen Moment an der richtigen Stelle. Für sie war diese Arbeit eine willkommene Abwechslung, für die sie von den Kollegen, die im Kriegsgebiet bleiben mussten, heftig beneidet wurde.  

Über 90 überwiegend farbige Fotos zeigt die Ausstellung. Dazu Zeitungen und Magazine mit ihren Aufnahmen. Der Pulitzer-Preis in Form eines Kristalls, den sie 2005 für ihre Berichterstattung aus dem Irak erhielt. Und zwei Kameras. Mit der Canon war sie unterwegs, als sie 2014 die Präsidentschaftswahl in Afghanistan begleitete. Mit ihr schoss sie ihr letzten Foto – dann wurde sie das Opfer des tödlichen Anschlags. Ein Einschussloch in der Kamera zeugt davon.

[infobox]„Anja Niedringhaus – Bilderkriegerin“ – bis 30. Juni. Käthe Kollwitz-Museum, Neumarkt 18-24, 50667 Köln, Tel. 0221 / 227-28 99 / 26 02, Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18 Uhr, Sa, So und feiertags 11-18 Uhr, Eintritt: 5/2 Euro. Katalog: 22 Euro

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Autor: ehu | Foto: © Anja Niedringhaus/AP
Foto: Ein irakisches Mädchen hält sich die Ohren zu, als ein Us-Marine im Zentrum der schwer bewachten Stadt Falludscha patrouilliert (5. Februar 2005). © Anja Niedringhaus/AP