Eine großformatige Stadtansicht von Köln kommt beim Kölner Auktionshaus Van Ham zur Versteigerung.

Das spektakuläre Bild des englischen Landschaftsmalers James Webb aus dem Jahr 1870 taucht Stadt und Flußlandschaft in einen Hauch von Romantik. Christoph Mohr sprach mit van Ham-Chef Markus Eisenbeis über das Bild und die Situation des Kunsthandels in Corona-Zeiten

Was weiß man über das Bild?

James Webb war ein Reisender unter den englischen Landschaftsmalern des 19.Jh.

Im Jahr 1869 hielt er sich nachweislich für einige Zeit in Köln auf und fertige Skizzen an, auf deren Basis er noch im selben Jahr ein erstes Gemälde im Atelier fertigte. Diese – relativ kleine Fassung – befindet sich heute im City Museum in Bristol.

Die jetzt bei uns angebotene monumentale Version ist mit 1870 datiert, also ein Jahr nach seiner Reise. Zwei weitere Versionen aus den Folgejahren sind heute bekannt, beide deutlich kleiner, vermutlich Auftragsarbeiten, eine davon im Kölner Stadtmuseum.

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Man kennt Veduten, also Stadtansichten, vor allem von Italien, am berühmtesten natürlich die Venedig-Veduten von Canaletto oder Guardi; in die Kunstgeschichte eingegangen sind auch die Rom-Stiche von Piranesi. Wer hängte sich im viktorianischen England Köln-Ansichten hin?

Im 19 Jahrhundert gehörte es zum klassischen Bildungskanon sowohl des Adels als auch des Geldadels, einmal im Leben die antiken Stätten in Italien zu besuchen. Auf dieser sog. Grand Tour sind die Reisenden von England aus den Rhein gen Süden gefahren, waren begeistert vom romantischen Mittelrhein, seiner Landschaft und den mittelalterlichen Burgen und Kathedralen entlang des Wegs. Köln war dabei immer eine wichtige Zwischenetappe und Metropole, deren jahrtausendealte Geschichte und Architektur in Verbindung mit der quirligen Geschäftigkeit begeisterte.

Genau diese Reisenden schmückten zuhause die Wände mit den Reiseerinnerungen – die heutigen Großstadtfotografien sind dem nicht unähnlich.

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Bei romantischen Landschaften und Seestücken englischer Maler denkt man an William Turner (1775-1851) oder John Constable (1776-1837). Wer aber ist James Webb (1825-1895)?

James Webb stellte seinerzeit an der Royal Academy seine oft großformatigen Veduten aus, war also ein wichtiger und anerkannter Maler in London, der in der Tradition der großen englischen Landschaftsmaler stand. Er war akribisch und detailgenau in seinen Darstellungen bekannter und unbekannter ferner Ziele, was sich auch darin spiegelt, dass er immerzu unterwegs war, um seine Sujets im Original zu skizzieren und diese Skizzen dann in repräsentativen Gemälden für sein Publikum zusammenfügte. Dass er dabei in seiner Zeit verhaftet war und der Romantik verpflichtet war, zeigt ja sehr eindrucksvoll die Kölnansicht: über dem sehr mittelalterlichen Treiben am Fluss scheint der Dom zu schweben, die übrigen Kirchen sind ein bisschen verrückt, so dass ein harmonisches Ganzen entsteht, den kein dunkler Rauch aus Dampfschiffen oder Eisenbahn stört. Das hätte ein technikbegeisteter William Turner ganz anders interpretiert – Webb da viel weniger innovativ. Dennoch wird er immer wieder mit den seinen Vorläufern verwechselt und steht in deren Tradition der Landschaftsmalerei.

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Was hat der Mann sonst noch gemalt?

Webb führten seine Reisen nicht nur über die Grand Tour nach Italien, sondern quer durch Holland, Belgien und Frankreich. Seine weitesten Ziele waren bis in den Orient, nach Konstantinopel oder Kairo. Auch seine Heimat England und Wales besuchte er regelmäßig. Dementsprechend unterschiedliche und viele Landschaften und Städte hat er porträtiert. Und seine Werke hängen weltweit in den Museen, von London über Köln und Bonn mit seiner umfangreichen Sammlung zur Rheinromantik bis nach Melbourne in Australien. Wichtig sind z.B. seine Londonansicht im Museum of London, der Mont-Saint-Michel in der Tate Gallery oder der Blick auf Istanbul in Glasgow. Aber als sein Hauptwerk kann man mit Fug und Recht die riesige Kölnansicht bezeichnen.

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Van Ham nennt das Bild ein Stück Rheinromantik. Mit dem Begriff verbinden sich verklärende Beschreibungen des Rheintals, Gemälde von Fluß und Burgruinen u.ä. Gibt es auch so etwas wie eine englische Rheinromantik? Und was wäre das?

Die Rheinromantik, eine spezielle Ausprägung der Landschaftsbeschreibungen des 19.Jh. die auch eng verbunden ist mit den holländischen Romantikern der Klever Schule, gab es sowohl in der deutschen Kunstgeschichte, als auch bei den Engländern. Während in Deutschland oftmals ein erzählender Aspekt zu finden ist, der vom Landleben und den geselligen Runden beim Wein schwärmt, so sind die englischen Gemälde vielmehr Reiseerinnerungen, die den Fokus auf die Schönheit der besonderen Orte legt.

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Gibt es etwas, was man auf dem Bild über Köln lernen kann?

Der spannendste Aspekt ist sicherlich der Dom und seine fast singuläre Darstellung einer besonderen Bauphase: seit den mittelalterlichen Bildern der Ursulalegende ist Köln ein immer wiederkehrendes Bildthema – immer gut zu erkennen an dem halbfertigen Dom mit dem Kran auf dem südlichen Turmstumpf. Seit 1880 der vollendete Dom eingeweiht werden konnte, prägt die Doppelturmfassade das Kölner Stadtbild. Aber die Phase der Vollendung der im 19.Jh. ist auf Gemälde so gut wie unauffindbar. Daher erzählt uns das Gemälde viel über die Stadtgeschichte.

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Als Provenienz gibt Ihr Katalog eine „bedeutende europäische Unternehmenssammlung“ an. Wir schließen daraus, dass das einliefernde Unternehmen nicht namentlich genannt werden möchte.

Hier kann ich Ihnen nur mitteilen, dass das Unternehmen nicht genannt werden möchte. Die wenigsten Unternehmen kommunizieren dies offen. Grund dafür ist, dass die Presse den Unternehmen immer einen Vorwurf draus macht. Für mich nicht nachvollziehbar. Wie private Sammler. müssen auch Unternehmen ohne moralische Vorwürfe über ihr Eigentum verfügen können. Wenn sich ein Unternehmen wandelt, muss sich auch die Sammlung wandeln. Wenn Werke nicht mehr ein Unternehmen repräsentieren und in den Keller wandern, ist der Kunst auch nicht geholfen.

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In jüngster Vergangenheit sind mehrfach Berichte über den Verkauf von Objekten aus Unternehmenssammlungen in der Presse aufgetaucht. Als fast skandalös ist von manchen der Verkauf eines wichtigen Werkes von Gerhard Richter aus der Unternehmenssammlung der Deutschen Bank empfunden worden; die Deutsche Bank soll darüber hinaus mehrere Tausend (!) Kunstobjekte verkauft haben. Auch die HypoVereinsbank (Unicredit) wird als Verkäufer genannt. Als Auktionshaus verfolgen Sie diese Entwicklung sicherlich mit Interesse; bekannt ist, dass die Deutsche Bank bei Van Ham ein Bild des deutschen Nachkriegsmalers Ernst Wilhelm Nay hat versteigern lassen. Sehen Sie einen allgemeinen Trend, dass sich Unternehmen von ihren Kunstsammlungen trennen?

Wir sind sicherlich das Haus in Deutschland was die größte Erfahrung im Umgang mit Unternehmenssammlung hat. Sie dürfen nicht vergessen, dass bei der Auflösung oder Umstrukturierung einer Unternehmenssammlung meist mehrere hundert oder tausende Werke Ihnen zur Vermarktung angeboten werden. Wir verfügen mit unserem Kunstdepot von über 4.000qm vor den Toren Kölns als einziges Auktionshaus in Deutschland über die Kapazitäten diese Herausforderungen umzusetzen.

Bei Achenbach waren ca 2.700 Werke, bei Auctionata über 8.000, bei Rusche ca 4.000, bei Ferrostaal ca 500, etc..

Unternehmenssammlungen müssen das Unternehmen inhaltlich repräsentieren können. Wenn sich Unternehmen wandeln, muss sich das auch in den Sammlungen wiederspiegeln.

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Das James Webb-Bild wird nicht zum ersten Mal bei van Ham versteigert. Im Jahre 2006 erzielte das Bild bei einer Auktion bei Ihnen 205.000 €, was als ein unerwartet hoher Preis gesehen wurde. Nun erwarten Sie eine Preisspanne von 100.000 – 150.000 Euro. Wie kommt es zu diesem Preisverfall?

2006 haben wir die Arbeit für € 90.000 angeboten. Warten wir es ab, wieviel es diesmal erzielen wird.

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Mit der Auktion am 28.05. startet Van Ham nach dem Corana-bedingten Shutdown wieder mit Live-Auktionen? Alles wieder wie zuvor?

Die Vorbesichtigung laufen wie üblich, natürlich mit den üblichen Auflagen (Mundschutz, Abstandsregeln). Wir sorgen dafür, dass nicht mehr als 1 Person / 10qm Ausstellungsfläche eingelassen wird. Für uns bedeutet das 72 Personen, wodurch sich keine Warteschlagen bildeten bei ca 200 Besuchern / Tag.

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Die Coronavirus-Pandemie ist noch nicht vorüber, so dass man allenfalls eine Zwischenbilanz ziehen kann. Wie schlimm wird es für den Kunsthandel?

Die langfristigen Folgen für die Kunsthändler und Galeristen, die Ihr Geschäft auf den persönlich Kontakt ausgerichtet, dürften zu einigen Verwerfungen führen. Hier fehlen die Vernissagen mit dem Künstler „zum Anfassen“, die Messen, die Dinners und das Rahmenprogramm der Messen.

Bei den Auktionen ist das Saalpublikum schon seit Jahren rückläufig, da die Kunden immer mehr schriftlich, telefonisch und über das Internet mitsteigern. Somit sehe ich mit einer Beschränkung des Saalpublikums auf ca 30-40 Personen kein Problem für unsere Auktionen.

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Eine Annahme wäre, dass sich durch Corona Teile des Kunsthandels und des Auktionsgeschäfts in’s Internet verlagern. Van Ham hat nicht erst in Corona-Zeiten Online-Auktionen durchgeführt, war sogar in gewisser Weise Vorreiter. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Aus heutiger Sicht bin ich natürlich erst recht glücklich, dass wir vor ca 3 Jahren die Entscheidung getroffen haben, in diesen Markt zu investieren. D.h. wir verfügen heute als einziges deutsches Auktionshaus über eine eigene Plattform, die Online-Kataloge mit Bietmöglichkeiten offeriert, Live-Online Bidding unseren Kunden ermöglicht und Online Only Auktionen durchführen kann.

Von Anfang an haben wir auf Transparenz gesetzt, d.h. Sie können alle Ergebnisse der Online Only Auktionen nachverfolgen.

Der Zuspruch ist enorm. Wir haben Zuschlagsquoten zwischen 70 bis 80% nach Stück und verkaufen idR nach Werte zu über 100% der unteren Taxen. Dabei gewinnen wir pro Auktion ca 25% Neukunden und erhalten im Schnitt über 7 Gebote pro Los. Das sind Zahlen, die sie nur selten in Präsensauktionen erreichen.

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Sind online-Auktionen die Zukunft des Auktionshandels?

Sie sind spätestens durch Corona jetzt fest etabliert, werden an Marktanteilen gewinnen, aber auf lange Sicht die Präsenz-Auktionen nicht ersetzen.

Eine Alternative zu Live-Auktionen sind auch die so genannten „private sales“, die stark von Sotheby’s und Christie’s promotet werden. Ist das ein Weg, den van Ham auch beschreitet?

Machen wir auch. So haben wir letzte Woche gerade ein für die Stadtgeschichte Trients bedeutendes Holzrelief an das Museum in Trient vermittelt oder diese Woche ein Gemälde, das sich als Kriegsverlust von Schloss Friedenstein herausstellte nach Gotha vermittelt (https://www.van-ham.com/fileadmin/Redaktion/Auktionen/Pressebericht/PM_-_VAN__HAM_-_Van_Ham_unterstützt_bei_der_Zurückführung_von_Van_Dyck_Gemälde_nach_Gotha.pdf)

Oft geschieht dies im Stillen und es fehlt die Außenwirkung, weshalb wir Verkäufe über unsere Auktionen bevorzugen.

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Zum Abschluss: Wie geht es weiter bei Ihnen?

Wir werden unser übliches Programm bieten, weiter die SOER-Rusche Collection vermarkten und vielleicht schon im September die spannendste Sammlung anbieten, die es je auf dem deutschen Kunstmarkt gab. Dazu kann ich Ihnen in 14 Tage hoffentlich mehr erzählen.

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Interview: Christoph Mohr

Autor: Interview: Christoph Mohr
Foto: James Webb (1825 – 1895)Ansicht von Köln mit dem unvollendeten Dom | 1870Öl auf Leinwand | 183 x 275 cm