Köln | Alle Mitglieder des Kölnischen Kunstvereins erhalten in diesem Jahr kostenfrei eine Arbeit des belgischen Starkünstlers Luc Tuymans. Damit gelingt dem seit 1839 bestehenden Verein, der wie kaum eine andere Kölner Institution für bürgerschaftliches Engagement für die Kunst steht, erneut eine grandiose Überraschung.

Die „Vereinsgabe“ ist eine Besonderheit des Kölnischen Kunstvereins: Seit 2013 wird den Vereinsmitgliedern jedes Jahr kostenfrei ein Originalkunstwerk angeboten. Dabei handelt es sich um ein Original, dessen Auflage sich nach der Höhe der Mitgliederzahl richtet. „Mit dieser Geste soll daran erinnert werden, dass die Mitglieder die zentrale Grundlage für die Aktivitäten des Kunstvereins darstellen und sich mit der Institution seit ihrer Begründung im 19. Jahrhundert ein klarer demokratischer Gedanke verbindet“, heißt es. Willkommener Nebeneffekt: Die Aussicht auf Arbeiten namhafter Künstler, so ist zu erfahren, trug dazu bei, „dass sich die Mitgliederzahl des Kölnischen Kunstvereins seit 2013 signifikant erhöhte“. 2013 hat die Künstlerin Rosemarie Trockel den Kölnischen Kunstverein mit einer Arbeit unterstützt, 2016 Isa Genzken.

Das diesjährige Kunstwerk ist ein kleines (25 x 26,5 cm) Stillleben, ein Digitaldruck auf Karton, auf der Rückseite handsigniert. Zu sehen ist ein „angefressener“ Apfel – ein geradezu klassisches Vanitas-Symbol der Vergänglichkeit.

Der Kölner Kunstverein-Apfel zeigt dabei typische Charakteristika vieler Tuymans-Arbeiten: Figurativ, meist nach Photographien gemalt, das Objekt vor einem leeren Hintergrund, zurückhaltende Farbgebung, Unschärfe. Das Bild ist gegenständlich, aber verschimmt im Unbestimmten. Über vielen seiner Arbeiten liegt ein Hauch von Unerklärlichkeit: Das, was man sieht, ist nicht das, was man sieht. Oder auch: Man glaubt etwas zu sehen, was man gar nicht sieht. Wegen der Anklänge von Symbolismus und Surrealismus hat man Tuymans auch einen „typisch“ belgischen Künstler genannt – in einer Reihe mit René Magritte, James Ensor, Paul Delvaux, Michaël Borremans etc.

Der in Antwerpen lebende Luc Tuymans ist einer der großen Namen der zeitgenössischen Kunst. Mehrfacher Documenta- und Biennale-Teilnehmer ist der 1958 geborene Künstler heute in vielen der wichtigsten Museen der Welt vertreten, im Museum of Modern Art (MoMa) in New York, in der Tate Modern in London oder im Centre Pompidou in Paris. In Deutschland besitzen u.a. das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt und die Pinakothek der Moderne in München Tuymans-Arbeiten. Vertreten wird Luc Tuymans durch den New Yorker Stargaleristen David Zwirner.
Seine Galerie sagt: „Luc Tuymans is widely credited with having contributed to the revival of painting in the 1990s”. Die Kunstgeschichte wird zeigen, ob das so stimmt. Tatsächlich hat Tuymans in den 1980er Jahren, als der mainstream Minimalismus und Konzeptkunst hieß, figurativ gemalt und dann eine ganz eigene Bildsprache entwickelt. Das brachte ihm 1992 auch eine Einladung zur documenta IX in Kassel ein, wodurch er auch international bekannt wurde.

Für (West-)Deutschland, nicht zuletzt für Köln, verbindet sich allerdings die Explosion figurativer Malerei in den 1980er Jahren mit einem ganz anderen Label:  „Neue Wilde“. In den Zentren Berlin (mit Namen wie Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé, Elvira Bach), Hamburg und eben Köln („Mülheimer Freiheit“; Hans Peter Adamski, Wahl Dahn, Jiri Georg Dokoupil) versuchte hier eine ganze Reihe junger Künstler den Aufstand gegen die vorherrschende „kopflastige“ Kunst.

Interessant sind auch die Parallelen zu Gerhard Richter. Wie bei dem Kölner Starkünstler durchzieht auch Luc Tuymans künstlerisches Schaffen die Auseinandersetzung mit dunklen Kapiteln der Zeitgeschichte. Wie Gerhard Richter benutzt auch Luc Tuymans bestehende Photographien als Ausgangsmaterial für seine Gemälde. Und wie bei Richter ist auch bei Tuymans   Unschärfe ein beliebtes bilderisches Mittel – was im Übrigen bei beiden dazu führt, dass die Kunsterklärer hier gerne eine Hinterfragung des Mediums Bild hineininterpretieren.

Mit der Luc Tuymans-„Vereinsgabe“ ist dem Kölnischen Kunstverein wieder ein Hingucker geglückt. Das macht vergessen, dass dem seit Mitte 2013 von Moritz Wesseler geleiteten Verein nicht immer alles gelingt: Zuletzt musste der Kölnische Kunstverein seine angekündigte Roberto Cuoghi-Ausstellung kurzfristig absagen. Auch die Schau mit dem derzeit hoch gehandelten italienischen Künstler wäre sicherlich ein deutschlandweiter Hingucker geworden.

Der Link zur Seite des Kölnischen Kunstvereins lautet:
http://koelnischerkunstverein.de/wp/vereinsgabe-2017-luc-tuymans/

Autor: Von Christoph Mohr | Foto und Reproduktion: Kölnischer Kunstverein
Foto: Das diesjährige Kunstwerk von Luc Tuymans ist ein kleines (25 x 26,5 cm) Stillleben, ein Digitaldruck auf Karton, auf der Rückseite handsigniert. Zu sehen ist ein „angefressener“ Apfel – ein geradezu klassisches Vanitas-Symbol der Vergänglichkeit. Foto und Reproduktion: Kölnischer Kunstverein