Köln | Die Entscheidung der Auswahljurys über Bewerber im Residenzprogramm Köln-Beirut ist gefallen. Von dem UMAM Documentation & Research/The Hangar in Beirut, Libanon, „Kunst und Dokument“ haben die Auswahljurys in Köln und Beirut ihre Entscheidung getroffen. Das Stipendium sieht einen dreimonatigen Aufenthalt in jeweils der anderen Stadt vor.  Die Jury in Köln und Beirut bestand aus Vertretern der vor Ort beteiligten Kooperationspartner sowie unabhängigen lokalen Künstlerinnen und Künstlern. Sie würdigte in beiden Bewerbungen die überzeugende Vorrecherche, das Eingehen auf die Archivpraktiken in zeitgenössischer Kunst und Literatur sowie den starken lokalen Bezug auf die beiden Residenzstädte.

Für die Residenz in Köln in der Zeit vom 3. September bis 3. Dezember 2012 wurde die libanesische Künstlerin Reem Akl für den Bereich Visuelle Kunst ausgewählt.Im Gegenzug geht der in Köln geborene Schriftsteller Rainer Merkel vom 23. September bis 23. Dezember 2012 nach Beirut. Dem Residenzprogramm „Kunst und Dokument“ liegen gemeinsame Züge der turbulenten Kriegs- und Nachkriegsgeschichte beider Städte zugrunde. Sein Ziel ist es, den interkulturellen Austausch zu fördern. Indem sich die Künstler mit der Vergangenheit und der Aktualität der Partnerstadt durch (Kunst-)Dokumente und persönliche Erfahrungen vertraut machen. Die Kunst widmet sich sozialen und geschichtlichen Aspekten der jeweiligen lokalen Lebenswelten; sie schafft auch nachhaltige Kontakte zwischen Kulturschaffenden und Kunsteinrichtungen vor Ort.  In Köln stellt das NS-Dokumentationszentrum seine Archive und Dokumente für die künstlerische Recherche der Künstlerin aus Beirut zur Verfügung, in Beirut wird der ausgewählte Künstler mit dem Archiv des UMAM und der Stadt arbeiten.

Die Künstler

Reem Akl lebt zurzeit in London und in Beirut. Sie studierte Wirtschaft an der American University of Beirut und setzte ihr Studium an der London School of Economics mit einem M.A. -Abschluss 2004 fort. Ihrer Karriere im Bereich internationaler Finanzmarkt folgte ein Studium an der University of the Arts London und 2011ein M.A.-Abschluss in Fotojournalismus und dokumentarischer Fotografie. Ihre Arbeiten sind stark rechercheorientiert. Ihre Schwerpunkte liegen im Dokumentieren von Geschichte(n) in ihrem breiten historischen Kontext. Sie hat in mehreren öffentlichen Archiven gearbeitet, insbesondere im Rahmen ihres aktuellen Projektes „a proper state of repair“, einer Untersuchung über die (De)Konstruktion von Geschichte und Erinnerung, die Gedenkpolitik und die (Wieder) Aneignung der archivierten Inhalte.Die Arbeiten von Reem Akl wurden in Gruppenausstellungen in Beirut, London und Barcelona gezeigt.
Rainer Merkel ist 1964 in Köln geboren, hat Psychologie und Kunstgeschichte studiert und lebt in Berlin. Zu seinen Romanen zählt »Das Jahr der Wunder«, für den er den Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung erhielt, und »Lichtjahre entfernt«, der auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand. Sein neuestes Werk heißt »Das Unglück der anderen. Kosovo, Liberia, Afghanistan« und erscheint im Oktober 2012. Rainer Merkel hat ein Jahr lang als Mitarbeiter bei der Hilfsorganisation Cap Anamur in einer Psychiatrie in Liberia gearbeitet. Er reist in die drei vom Krieg verwüsteten Länder und fragt in seinen Reportagen,welche Anziehungskraft Traumata und Gewalt auf Menschen haben können. Friedensarbeiter, Traumatherapeut oder Bundeswehrsoldat: Sie alle suchen die Grenzerfahrung, die nicht intensiv genug sein kann. Als »Embedded Journalist« im Feldlager der Bundeswehr in Afghanistan wird Merkel plötzlich mit seiner eigenen Geschichte und seinen eigenen Traumata konfrontiert. Es zeigt sich, dass das Unglück der anderen unsere Trauer ist.

Das Künstlerstipendium wird ermöglicht durch die städtischen Kulturämter in Köln und Beirut, der Heinrich Böll Stiftung Middle East, UMAM Documentation & Research Beirut, dem Bundesverband Bildender Künstler Köln e. V., dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln und der Deutschen Botschaft Beirut. Die Künstler stellen die Ergebnisse ihres Projektes bis Ende 2013 in den beteiligten Institutionen in Köln und Beirut vor.

Autor: Annika Knetsch