Köln | Mit dem Ruf „Kunst ins Leben“ stürmten die Künstler der 1960er Jahren gegen die etablierte Kunstszene. Und Köln – und das ist keine nostalgische Verklärung – war der Nabel der Kunstwelt. Mittendrin der Sammler Wolfgang Hahn. An ihn und und die wilden Jahren erinnert jetzt das Museum Ludwig.

Es war die Zeit, in der Alltagsgegenstände zu Kunst wurden, in der die traditionellen Vorstellungen von Gemälden und Skulpturen über Bord geworfen, Happenings Alltag wurden und Künstler die Grenzen ihrer Genres überschritten und zusammen arbeiteten. Fluxus wurde erfunden, Pop Art, Konzeptkunst.

Und mitten drin saß Wolfgang Hahn (1924-1987). Buchstäblich. Der damalige Chefrestaurator des Wallraf-Richartz-Museum und des später angeschlossenen Museums Ludwig verwandelte die Wohnung, in der er mit faru und Kindern wohnte, in ein Museum. Und er sammelte nicht nur kunst, sondern alles, was den Charakter dieser Zeit ausmachte wie Illustrierte oder LP’s.

Wolfgang Hahn führte penibel Buch über seine Begegnungen mit Kunst und Künstlern

Der Anfang der Ausstellung „Kunst ins Leben“ gewährt mit Fotos und zahlreichen Dokumenten einen Blick in den Sammleralltag. Fotos zeigen die kunstgefüllten Zimmer, persönliche Aufzeichnungen, welche Ausstellungen er besuchte und welche nicht. Akribisch wurde Buch geführt auch über Gespräche mit Künstlern, zu vielen von ihnen hatte er engen Kontakt.

In seiner Sammlung fehlt keiner der damals und auch heute noch großen Namen wie – um nur einige zu nennen – Joseph Beuys, John Cage, Name June Paik, Arman, Andy Warhol, Wolf Vostell, Allan Kaprow oder Yoko One. Namen auch, die heute nicht mehr jedem geläufig sind, zum Beispiel Ay-O, Francois Dufrene, Yayoi Kusama oder Ursula. Nicht zu bestreiten ist: Er erkannte, wer etwas zu sagen hat.

Zu sehen sind in Köln unter anderem George Segals weiße Gips-„Frau in einer Restaurantnische“, Nam June Paiks „Fluxus-Klavier“ und „Violine with String“, die er hinter sich her zog. Nicht nur dokumentarische Fotos dieser Aktion sammelte Hahn. Michael Buthes zerschnittene Leinwand ist ausgestellt, Lil Picards „Selbstbildnis“ – eine liegende Figur, angemalt und angebrannt.


Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, Britta Schlier / Museum Ludwig | Und so wird Georg Segals „Frau in einer Restaurantnische“ in der Kölner Ausstellung präsentiert.

Aus den Resten eines Abendessen machte Daniel Spoerri Kunst

Oder „Hahns Abendmahl“ von Daniel Spoerri: Der Schweizer Künstler, damals Professor an der Kölner Werkkunstschule, klebte kurzerhand alles auf einer Tischplatte fest, was nach einem Essen übrig geblieben war. Hahn hatte dazu am 21. April 1964 Künstler und Kollegen zu sich eingeladen. Und auch ein ganz neues Werk ist tätlich auszuprobieren: Die Berlinerin Kasia Fudakowski erfindet – ganz in dessen Sinn – Allan Kaprows „Push and Pull“ neu.

Geht man durch die locker flockig präsentierte Ausstellung, ist man überrascht von der Lebendigkeit der Kunstwerke. Und ein bisschen Wehmut schleicht sich ein: 1987 wurde die Sammlung nach Wien verkauft – eine von vielen Chancen, die Köln verpasst hat. Immerhin erinnert seit 1994 der alljährlich von der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig verliehene Wolfgang-Hahn-Preis an den Spürnase.

[infobox]„Kunst ins Leben! – Der Sammler Wolfgang Hahn und die 60er Jahre“ – bis 24. September, Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, Di-So 10-18 Uhr, jeden 1. Donnerstag im Monat 10-22 Uhr, Katalog: 38 Euro

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Autor: ehu | Foto: Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (ZADIK) /Museum Ludwig
Foto: Blick ins Wohnzimmer von Wolfgang Hahn (rechts). Neben ihm George Segals lebensgroße „Frau in einer Restaurantnische“. Die Fotgrafin dieser Aufnahme ist unbekannt.