Brühl | Das Max-Ernst-Museum Brühl zeigt Skulpturen des spanisch-katalanischen Jahrhundertkünstlers. Eine App aus Köln hilft. Unter dem schönen, wenngleich irreführenden Titel “Miró – Welt der Monster” zeigt das Max-Ernst-Museum in Brühl vor den Toren Kölns eine große Schau mit fast 40 Bronzekulpturen des weltberühmten katalanischen Künstlers, ergänzt durch ein Dutzend korrespondierender Gemälde, Papierarbeiten und einen großformatigen Wandteppich.

Die skurrilen „Monster“ erscheinen hier weniger bedrohlich als liebenswert, sie sind nicht monströs, sondern bunt und freundlich. Tatsächlich sind überhaupt keine Monster zu sehen. Was zu sehen ist, sind aus Fundstücken zusammengesetzte, in Bronze gegossene skurril-surreale Skulpturen, oft mit Verbindungen zu Mirós eigener Symbolsprache, immer offen für Deutungen durch den Betrachter. Nägel und Eisenteile, Knochen, Äste und Holzstücke, vieles an den Stränden von Mallorca aufgesammelt, banale Alltagsgegenstände, Fundstücke jeder Art, werden so zu Kunst.

Diese Methode der objets trouvés, der „gefundenen Dinge“, teilt Miró mit anderen Künstlern. Picassos berühmter Satz „Ich suche nicht, ich finde“ lässt sich auch auf diese Methode anwenden. Ein gutes Beispiel ist „Frau mit Kinderwagen“ (1950), eines der Spitzenwerke des Kölner Museum Ludwig. Picasso hat hier aus ausgemusterten Alltagsdingen, aus alten Kuchenförmchen, abgebrochenen Metallteilen, einem kaputtes Holzsieb etc., die er mit Ton und Gips zusammengefügt hat, ein Objekt geschaffen. Man sagt, dass es eines der beim Publikum beliebtesten Kunstwerke im Museum Ludwig sei. In dieser Traditionslinie bewegt sich auch Miró.

Ein bemerkenswertes Feature der Miró-Ausstellung im Max-Ernst-Museum Brühl ist die eigens entwickelte App.

Die Besucher mit können mit „Mirós Monster“ per Smartphone in der Ausstellung 3D-Objekte sammeln, daraus ein virtuelles Monster erschaffen und dieses farblich bearbeiten. Das Monster kann dann im Zwischengeschoss der Ausstellung auf einem Sockel platziert, fotografiert und über die Sozialen Medien geteilt werden.

Bemerkenswert ist auch die Funktion „Miró 360°“, die eine vollständige räumliche Erfassung der im Katalog abgebildeten Kunstwerke ermöglicht. Elf ausgewählte Skulpturen können auf diese Weise in einer virtuellen Rundansicht betrachtet, von oben und unten und jeder Seite, also fast mehr als im Museum selbst möglich ist.

Die App „Miró 2.0“ ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit des Max-Ernst-Museums mit dem von Björn Bartholdy und Gundolf S. Fryermuth geleiteten Cologne Game Lab (CGL) an der Technischen Hochschule Köln. Entwickelt wurde die App von den CGL-Mitarbeitern Carmen Johann und Jonas Zimmer.

Joan Miró, 1983 gestorben und längere Zeit eher als dekorativer Postkarten- und Poster-Künstler bewertet, hat in den letzten Jahren wieder verstärkt Aufmerksamkeit erfahren und seinen kunsthistorischen Platz als einer der wichtigen Vertreter des Surrealismus gefunden – gleichberechtigt mit Jean Arp, Salvador Dalí, Max Ernst, Alberto Giacometti, René Magritte, Pablo Picasso oder Yves Tanguy.

Einige der international wichtigsten Museen widmeten Miró in den letzten Jahren Ausstellungen, so das Centre Pompidou in Paris 2004, das Museum of Modern Art in New York 2008/2009 und die Tate Modern in London 2011. In Deutschland war 2015 im Bucerius Kunst Forum in Hamburg und in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf die Ausstellung „Miró. Malerei als Poesie“ zu sehen. 2016 zeigte die Kunsthalle Schirn in Frankfurt eine Ausstellung zu Mirós Wandbildern.

Parallel sind auch die Preise für Miró-Arbeiten auf dem Kunstmarkt nach oben gegangen. Im Sommer dieses Jahres wurde bei Sotheby’s in London aufsehenerregend eine kleine (38 x 46 cm) Miró-Gouache für 31 Millionen Dollar versteigert. Und das war noch nicht einmal der Preisrekord. Wie Sotheby’s auf Anfrage mitteilt, war die bislang teuerste Miró-Arbeit, die unter den Hammer kam, das Gemälde „Ètoile bleue“ (1927), das, ebenfalls bei Sotheby’s in London, im Jahr 2012 für 37 Millionen Dollar einen Käufer fand.

Im letzten Jahrzehnt erzielten bei Auktionen von Sotheby’s und Christie’s in London oder New York insgesamt mehr als zehn Miró-Arbeiten Auktionspreise von über zehn Millionen Dollar.

Auch ein Zeichen der Beliebtheit: Miró gilt als einer der am meisten gefälschten Künstler des 20. Jahrhunderts; einige Experten glauben, dass bis zur Hälfte aller auf dem Kunstmarkt angebotenen Miró-Grafiken Fälschungen seien.

Permanent ist Miró in Barcelona und in Palma de Mallorca zu sehen. Auf Mallorca, wo der Katalane Miró seit 1956 permanent lebte, wurde sein in einem Vorort der mallorqinischen Hauptstadt gelegenes Atelierhaus um ein Musumsgebäude des spanischen Stararchitekten Rafael Moneo erweitert; hier zeigt die Fundació Pilar i Joan Miró aus ihrem Bestand von 2500 Miró-Werken wechselnde Ausstellungen.

Mallorca hat seinen größten Künstler lange Jahre fast ignoriert. Es ist auch dem mallorquinische Zeitungsverleger und Miró-Freund Pere Antoni Serra Bauza (in dessen Medienhaus auch das vielen Deutschen bekannten „Mallorca-Magazin“ erscheint) zu verdanken, dass sich dies geändert hat. Von Serra stammt auch das schöne, auch ins Deutsche übersetzte Buch „Miró I Mallorca“ (1984).

Heute kümmern sich vor allem der Miró-Enkel Joan Punyet Miró und die Fundació Joan Miró in Barcelona um die Pflege des Miró-Erbes.

Die jetzt in Brühl zu sehenden Exponate stammen hingegen von der Fondation Marguerite et Aimé Maeght im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence, 25 km von Nizza entfernt. Die Sammlung der Kunsthändlerfamilie umfasst zahlreiche Meisterwerke der Klassichen Moderne: Alexander Calder, Fernand Léger, Georges Braque, Alberto Giacometti, Marc Chagall, Eduardo Chillida etc.. Von Miró besitzt die Stiftung allein 140 Skulpturen. Die Freundschaft mit Aimé Maeght hat sogar einen baulichen Niederschlag gefunden: Die Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence ist in einem Gebäude des katalanischen Architekten Josep Lluis Sert beheimatet, der auch das Atelierhaus Mirós auf Mallorca entwarf.

Mit Max Ernst, dem Namensgeber des Museum in Brühl,  verbindet Miró eine selten erwähnte Zusammenarbeit. 1925 begegneten sich der Deutsche und der Spanier bei einer Ausstellung surrealistischer Malerei in Paris. Ein Jahr später entwarfen sie auf Empfehlung von Picasso gemeinsam die Ausstattung für eine „Romeo und Julia“-Inszenierung der Ballets Russes, der (auch wegen ihrer Zusammenarbeit mit Künstlern wie Jean Cocteau, Pablo Picasso, George Braque etc.) wohl einflussreichsten Balletkompagnie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Eine schöne Gesichte übrigens, wurde doch die Premiere ausgerechnet von den Surrealistenkollegen Breton und Aragon mit einem Pfeifkonzert und Flugblättern gestört, die Max Ernst und Joan Miró vorwarfen, die Ideale des Surrealismus zu verraten und an den Kommerz zu verkaufen.

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Miró – Welt der Monster, bis 28.01.2018

Max-Ernst-Museum Brühl

Comesstraße 42/Max-Ernst-Allee 1

50321 Brühl

Di-So 11-18 Uhr, Mo geschlossen

Per Bahn (RE) von Köln Hbf in ca. 10 Min. bis Bahnhof Brühl, dann 2 Minuten Fußweg

Download der App „Miró 2.0“ für Android und iOS unter:  www.miro.lvr.de

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Autor: Von Christoph Mohr