Köln | Sammeln, erforschen, ausstellen – das sind die Hauptaufgaben eines Museums. Doch nach welchen Kriterien erfolgen vor allem Sammeln und Ausstellungen. Dieser selbstkritischen Hinterfragung stellt sich das Museum Ludwig mit der jetzt eröffneten Ausstellung „Transcorporealities“ in seiner Veranstaltungsreihe „Hier und Jetzt“.

Das Foyer des Museums im Schatten des Doms ist ein Durchgangsraum von der Hohenzollernbrücke oder dem Bahnhof in die Altstadt. Wer es passiert, muss nicht in die Ausstellungssäle. Er kann den Museumsshop besuchen, seine Sachen in einem Schließfach verstauen, sich auf einer Bank etwas ausruhen. Diese Durchlässigkeit sollen – der Titel weist darauf hin – die Arbeiten der acht Künstlerinnen und Künstler widerspiegeln, die Kuratorin Leonie Radine ausgesucht hat – nicht nur die Durchlässigkeit des Gebäudes und damit des Museums, sondern auch die aktuelle „Vermischung“ unterschiedlicher Genres.

Im Foyer Kunst im Vorübergehen erleben

Jetzt findet die Kunst schon im Foyer statt. So kann der Passant selber Teil eines Kunstwerks werden, indem er sich zwischen die lebensgroßen Puppen setzt, die der Kolumbianer Oscar Murillo Arbeiterinnen und Arbeitern einer Schokoladenfabrik in seiner Heimat nachgebildet hat. Pikant sind die Sitzkissen, auf denen die Besucher Platz nehmen: Auf ihnen ist die Arbeit „Der Pralinenmeister“ von Hans Haacke abgebildet – eine kritische Auseinandersetzung mit dem Mäzen und Namensgeber des Museums, der sein Geld als Schokoladenfabrikant verdient. Seit über einem Jahr gehört sie dem Museum.

Im Gegensatz dazu versucht Park McArthur die Außenwelt auszusperren: Sie lässt ihr Geräusche von einem großen Schaumblock verschlucken. Und durch Gummi-Prellböcke unter den Werbe-Bildschirmen des Museums schützt sie – symbolisch – die Kunst vor allzu engem Kontakt durch Betrachter. Sondra Perry lässt einen verrosteten Bagger über sein Schicksal nachdenken und über die Natur, die er zerstört hat. Dank der US-Künstlerin wurde aus Schrott ein teuer versichertes Kunstwerk Parallel dazu projiziert sie ein computer-animiertes Bild ihrer Haut auf eine Säule: Die Grenze zwischen Natur, Technik und Kunst lösen sich auf.

Kölns Stadtpatronin St. Ursula mal ganz anders gesehen

Ähnlich die Arbeiten der Kosovarin Fiaka Haliti, die unbekannte Lebewesen aus der Tiefe des Meeres ans Licht holt, oder die Alien-Gesichter des Franzosen Paul Maheke. Eine besondere Art der Hagiografie zwischen Poesie und Drastik betreibt Jesse Darling in den sonst undurchsichtigen Schließfächern. Die Britin, die heute in Berlin lebt und Arbeit, interpretiert die Geschichte der Stadt-Heiligen Ursula mit Rosen, Kreuzen, Tampons, Hygienebeuteln, Klobürste mit Trauerflor oder erbrochenen Scheiben

Trajal Harrell und Nick Mauss zogen sich dagegen ins eigentliche Museum zurück – was natürlich Eintritt kostet. Erster wurde 2018 vom deutschen „tanz“-Magazin als „Dancer of the Year“ ausgezeichnet. Am 1. Dezember zeigt er eine Performance – den Rest der Ausstellungszeit kann der Besucher im Untergeschoss persönliche Familien-Erinnerungsstücke sehen und materielle Relikte der Laufbahn des 46-jährigen US-Choreografen und Tänzers. Sie können meistbietend gekauft werden.

Um Tanz geht es auch Mauss. Er durfte sich aus dem Museumsbestand Arbeiten aussuchen, die sich damit beschäftigen, und stellt sie im Obergeschoss aus. Zu sehen sind etwa Tänzerinnen, fotografiert von Ilse Bing, Skulpturen von Max Ernst oder das Bild einer Schausteller-Familie von Ernst Heckel. Dazwischen zwei eigene, verspiegelte Hinterglas-Malereien. Das Arrangement soll Basis sein für eine Choreografie, die mit Studierenden der Kölner Hochschule für Musik und Tanz entwickelt und im November aufgeführt werden soll. „Transcorporealities“ eben

[infobox]„Transcorporealities“ – bis 19. Januar 2020. Museum Ludwig, Di-So (inkl. Feiertage) 10-18 Uhr, jeden ersten Donnerstag im Monat: 10 – 22 Uhr. Eintritt 11/7,50 Euro. Gegen Ende der Ausstellung erscheint ein Katalog.

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Autor: ehu
Foto: Die Puppen von Oscar Murillo laden im Foyer des Museum Ludwig zum Mit-Sitzen ein.