Köln | Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich an der Spitze des Museum Ludwig ein weiterer Wechsel vollzogen: Nachdem im Februar 2015 Yilmaz Dziewior Direktor geworden war, ist nun Rita Kersting zur stellvertretenden Leiterin des wichtigsten Kölner Museums ernannt worden. Sie folgt auf Katia Baudin nach, die seit kurzem Direktorin der Kunstmuseen Krefeld ist.

Für Rita Kersting sind Köln und das Rheinland heimisches Terrain. 1969 in Goch am Niederrhein nahe der deutsch-niederländischen Grenze geboren, hat die Kuratorin sowohl in Köln als auch in Düsseldorf gearbeitet. Die Nähe zu den Niederlanden war auch beruflich und privat prägend. In Amsterdam absolvierte sie einen Teil ihrer Kuratoren-Ausbildung. Heute ist sie Mitglied des achtköpfigen Aufsichtsrates des Stedelijk Museums in Amsterdam.

Privat ist Rita Kersting mit dem 1948 geborenen niederländischen Kunsthistoriker Guido de Wert verheiratet, der bis 2010 Direktor des Museum Kurhaus Kleve war. Einige Jahre lebten beide im niederländischen Nimwegen. Die wichtigste berufliche Station der Kuratorin war dann Düsseldorf. Von 2001 bis 2006 leitete sie den Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, ein klassisches Kunstszene-Sprungbrett (Die Ausstellungen dieser Zeit finden Sie hier >)

Seit 2012 arbeite Rita Kersting in Jerusalem als Kuratorin am Israel Museum of Art. Als wichtigste Ausstellungen finden sich in ihrer Bilanz eine Ein-Raum-Installation des afrikanischen Konzeptkünstlers Georges Adéagbo und die größere „We the people“-Ausstellung. Beide Ausstellungen passen fast idealtypisch in den gegenwärtigen Globalisierungsdiskurs der internationalen Kuratoren-Szene. „We the people“ bezog ihren Titel auf eine Aktion des vietnamesischen Künstlers Danh Vo, dessen 1 zu 1-Reproduktion der New Yorker Freiheitsstatue in nahezu 300 Teilen in zahlreichen Museen in aller Welt gezeigt wurden – darunter auch in einer von Yilmaz Dziewior kuratierten Ausstellung im Museum Ludwig!

Für Rita Kersting ist die Ernennung fast auch eine Heimkehr nach Köln. Wie der heutige Museum Ludwig-Chef Yilmaz Dziewior hat auch Rita Kersting bereits in Studentenzeiten erste berufliche Erfahrungen im Museum Ludwig gemacht. Eine eher merkwürdig anmutende Wertschätzung kommt von der Kölner Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach: „Neben ihrer ausgewiesenen fachlichen Kompetenz ist Rita Kersting auch für ihre versierte und vielfältige Gremiumsarbeit bekannt und wird auch hierfür von den unterschiedlichen Akteuren aus Kunst und Politik geschätzt.“

Da mag man doch eher hoffen, dass ein anderes Urteil über die neue Museum Ludwig-Vizechefin stimmt. Rita Kersting, so ist hier und da zu hören, verfüge über gute persönliche Kontakte zu einer ganzen Reihe lebender zeitgenössischer Künstler in aller Welt. Rita Kersting folgt im Museum Ludwig auf die etwa gleichaltrige Katia Baudin (*1967) nach. Die in New York aufgewachsene Französin war 2008 unter dem damaligen Museum Ludwig Chef Kasper König zur stellvertretenden Leiterin geworden, 2014 nach dem überraschenden Abgang des Kasper König-Nachfolgers Philipp Kaiser übernahm sie kommissarisch die Museumsleitung.

Katia Baudin ist seit kurzem Direktorin der Kunstmuseen Krefeld und aus Köln hatte sie sich gleichsam mit einer Fernand Léger-Ausstellung verabschiedet.
Damit entsteht nun auch eine interessante Konkurrenzsituation zu Köln. Wegen der langen Schließung und Generalsanierung des Kaiser Wilhelm-Museums in Krefeld ist etwas aus dem Bewusstsein der Kunstöffentlichkeit geraten, dass Krefeld einige Jahrzehnte lang einer der wichtigeren Kunstorte der alten Bundesrepublik war.

Es war Krefeld und nicht Köln, das beispielsweise in den 60er Jahren erstmals den französischen Künstler Yves Klein in Deutschland zeigte. Später hatte dann Krefeld auch wesentlichen Anteil an der Entdeckung der zeitgenössischen Photographie, insbesondere der Düsseldorfer Becher-Schule, zuerst mit Bernd und Hilla Becher, später mit Andreas Gursky, lange bevor dieser der internationale Starkünstler war, der er heute ist. Es wäre naheliegend, wenn Katia Baudin selbst gerne Chefin des Museum Ludwig geworden wäre. Nun kann sie von Krefeld aus herüberwinken.

Autor: Von Christoph Mohr