Köln | Der Direktor des Museum Ludwig, Yilmaz Dziewior, spricht im Interview über die Bedeutung der digitalen Angebote seines Hauses und die Hoffnung, dieses bald wieder öffnen zu können.

Wie erleben Sie im Moment Köln in der Coronakrise?

Yilmaz Dziewior: Die Stadt ist im Moment ziemlich ruhig und leer, was etwas im Widerspruch mit dem schönen Wetter steht, das wir aktuell haben. Wenn ich mir unterwegs einen Kaffee hole, stellt sich Köln gerade als Geisterstadt dar, auch wenn jetzt die Hohe Straße durch die Öffnung der Geschäfte etwas belebter ist. Das Verhalten der Menschen hat sich geändert – sie sind achtsamer geworden und man geht sich aus dem Weg. Auch bei mir kommt es vor, dass ich den Bürgersteig wechsele, um Begegnungen gerade mit älteren Menschen zu vermeiden. Aber man spürt das Defizit durch den Verlust der Nähe, das Händeschütteln, Umarmen oder gar Küssen unmöglich macht. Ich bin gespannt, wie lange diese Distanz auch nach der Krise noch anhält. Mir fällt sie auf jeden Fall alles andere als leicht.

 

Was sind die größten Herausforderungen für Sie als Direktor des Museums Ludwig?

Dziewior: Es geht jetzt darum, den Kontakt mit allen Beteiligten zu halten. 85 Prozent der Kolleginnen und Kollegen sind jetzt im Homeoffice, da wird viel telefoniert und gemailt. Das nimmt auch deutlich mehr Zeit in Anspruch als ein normales Treffen vor Ort. Es geht auch um den Kontakt zu unseren Unterstützergremien. Wichtig ist außerdem, das Museum in der Öffentlichkeit zu halten, was uns gut durch unsere Internetaktivität gelingt. Es gibt virtuelle Führungen auch von mir, die ich mit dem Handy selbst aufnehme. Außerdem gibt sich unser Team viel Mühe, um unsere Social Media-Kanäle zu füllen. Seit kurzem haben wir auch ein großes Plakat draußen aufgehängt. Es soll den Menschen Mut machen, dass die Museen bald schon wieder offen stehen werden und dass die Kunst dort auf sie wartet. Im Moment gibt es Zeichen, dass dies in etwa zwei Wochen wieder der Fall sein wird.

 

Wie wird sich dann das Erlebnis Museum geändert haben?

Dziewior: Es wird in der ersten Zeit keine großen Ausstellungseröffnungen mit vielen Menschen mehr geben. Wir werden aber trotzdem unsere Sonderausstellungen „Mapping the Collection“ an Ende Juni und „Dynamische Räume“ ab Anfang Juni präsentieren. Wichtig ist der Schutz des Publikums sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das geschieht durch die entsprechenden Hygienemaßnahmen, wie Abstand halten und Schutzwänden an der Garderobe und den Kassen. Auch die Aufsichten werden ihre Abläufe etwas ändern, damit nicht zu viele von ihnen sich gleichzeitig in den Sozialräumen aufhalten. Zum Glück haben wir ein sehr großes Haus, in dem sich die Besucherströme etwas verlaufen.

 

Welche Folgen hat die Krise für Ihr Haus?

Dziewior: Negativ wirken sich die Einnahmeverluste durch den weggefallenen Eintritt und die Führungen während des Shutdowns aus. Das sind etwa 120.000 Euro pro Monat. Zum Glück kommt die große Sonderausstellung zu Andy Warhol erst im Herbst, sonst wären die Verluste deutlich größer gewesen. Eine eher positive Folge der Krise ist, dass den Menschen bewusst wird, wie wichtig die Kunst für sie ist. Dass wir die Digitalisierung so weit vorangetrieben haben, macht sich jetzt bezahlt. Gerade in den sozialen Medien ist die Zahl unserer Follower deutlich angestiegen. Auch auf der Website verzeichnen wir eine hohe Frequenz. Aber klar ist auch, man muss Kunst im Original vor sich haben, damit sie einen wirklich beglücken kann.

 

Wie hat sich Ihr beruflicher Alltag verändert?

Dziewior: Die Dienstreisen zu Meetings von Gremien und Jurysitzungen sind komplett weggefallen oder wurden ins Netz gelegt. Wie in normalen Zeiten bin ich auch jetzt immer mit dem Rad etwa 25 Minuten vom Kölner Süden aus auf dem Weg ins Büro, wo ich meist alleine sitze. Aber es ist dort angenehmer als von zu Hause aus zu arbeiten. Ich habe jetzt auch mehr Zeit, um im Haus unterwegs zu sein.

 

Welche Auswirkungen hat Corona auf die Kultur?

Dziewior: Der Umgang der Menschen wird von mehr Distanz geprägt sein. Veranstaltungen werden vorerst nicht stattfinden. Das gilt auch für Führungen mit großen Gruppen oder Schulklassen. Ob Vorträge in unserem großen Kino möglich sein werden, muss sich noch zeigen. Ich bin gespannt, wie unser Blick auf diese Zeit rückwirkend aussehen wird, wenn alles wieder vorbei ist.

 

Welche Veränderungen wird es in der Gesellschaft geben?

Dziewior: Viele stehen sich jetzt die Sinnfrage, auch weil sie mehr Zeit zum Nachdenken haben. Man überlegt sich, wie wichtig das ist, was man gerade macht. Dazu kommt, dass bestimmte Berufsgruppen wie Kassiererinnen oder Krankenschwestern jetzt eine ganz andere Wertschätzung erhalten wie früher. Es wäre wichtig, dass das auch entsprechend honoriert wird – nur klatschen reicht da nicht aus. Und ich hoffe, dass diese Wertschätzung auch nach der Krise noch andauern wird.

 

Was macht Ihnen derzeit Hoffnung und was Sorgen?

Dziewior: Hoffnung macht mir, dass die Krise Menschen vereint und dass sie achtsamer miteinander umgehen. Sorgen macht mir, dass in der Krise die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander geht. Man fragt sich, wer die Gewinner und wer die Verlierer der Krise sein werden.

 

Wie gehen Sie privat mit der Krise um?

Dziewior: Durch die Krise fallen alle Abendveranstaltungen im Moment weg und ich bin deutlich früher zu Hause. Das bringt zum Beispiel mehr Zeit für das Kochen. Wichtig ist auch die Fitness in Zeiten, in denen die Studios geschlossen haben. Ich habe mir eine Yogamatte gekauft und gehe regelmäßiger zum Joggen.

 

Welche Tipps haben Sie für die Zwangspause zu Hause?

Dziewior: Da würde ich auf unser Onlineangebot auf der Website und auf unseren sozialen Kanälen verweisen. Unser Team hat sehr viel auf die Beine gestellt. Dazu zählen die Führungen von den Kolleginnen und mir mit unseren Lieblingswerken sowie auch Themenführungen wie zum Beispiel zum Porträt. Außerdem arbeiten wir gerade an 360 Grad-Ansichten der Räume des Museums.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Albrecht Fuchs