Köln | Norman Seeff hielt wie wohl kein anderer Fotograf das Lebensgefühl der Pop- und Rockmusik-Szene der 1960er bis 1980er Jahre fest. Kaum zu glauben, dass er vor vier Jahren seine erste Einzelausstellung erhielt – in Mannheim und nicht in den USA, wo er heute im Ruhestand lebt. Jetzt ist sie auch im Museum für Angewandte Kunst Köln zu sehen.

Tina Turner stand 1983 vor Norman Seeffs Kamera. © Norman Seeff

Von der Empore über der Treppe erwartet Mick Jagger im Großformat die Besucher der Ausstellung „Norman Seeff: The Lokk of Sound“.145 Einzelfotos – fast ausnahmslos schwarz-weiß – und Negativabzüge entführen ihn in eine Welt, in der sich die Stars der Musikszene in ungewohnt lockerer, oft intimer Weise präsentieren. Da sieht man BB King mit der Gitarre im Bett, Sly Stone beim Zungenkuss mit Kathy Silver oder Rickie Lee Jones, sich lachend auf dem Sofa lümmelnd. Mit nacktem Oberkörper gewährt Dirigent Zubin Mehta vor seinem Konzert den Blick in seine Garderobe.

Die Fotosession wurde zur Party mit Gespräch und Drogen

Seeffs Gebiet waren weniger die gestellten Studioaufnahmen. Stattdessen besuchte er die Künstler oft in deren Wohnung oder eben im Hotelzimmer. Dann redete er mit ihnen, verwandelte die Situation in eine Party 8auch mit Drogen). Lockerte so die Stimmung und machte dabei seine Fotos. Ab 1975 ließ er die Fotosessions filmen – 15 Beispiele dafür sind in Ausschnitte zu sehen – und unterhielt sich dabei mit den Porträtierten etwa über Kreativität.

Er liebte es unkompliziert – auch beim Fotografieren. Und so ragen bisweilen die Beine des Kamerastativs ins Bild, ein Mikrophon oder das Blitzlicht spiegelt sich in einem Fenster. Fotobearbeitung war möglich, aber nicht so einfach wie heute am Computer. Seeff ließ diese „Fehler“, anfangs sicher zum Ärger der Auftraggeber, später wurde es Trend. Nicht wenige seiner Fotos landeten auf den Plattencovern – und seine Aufnahme von Bob Dylans begleitband „The Band“ war das erste Poster, das einem Album beigelegt wurde.

Norman Seeff wurde 1939 in Johannesburg/Südafrika geboren. Er absolvierte ein Medizinstudium, begann aber auch schon früh zu studieren. Abgestoßen von der Apartheidspolitik, wanderte er aus, zunächst nach London, 1968 kam er als „illegaler Immigrant“ nach New York.

Karriere startete mit Verspätung – wegen Schüchternheit

Er streifte mit dem Fahrrad durch die Straßen, fragte Menschen, ob er sie fotografieren könne – und landete so unter anderem in der Wohnung von Patti Smith und Robert Mapplethorpe, die damals ein Paar waren. So erzählt es der Mannheimer Galerist und Ausstellungskurator Thomas Schirmböck. Und auch das: Seinen ersten Auftrag erhielt Seeff wegen seiner Schüchternheit mit Verspätung. Er hatte dem Art-Direktor von Columbia Records eine Mappe mit Fotos unter die Tür geschoben, vergaß darauf aber seine Adresse. Erst wenige Wochen später trafen sich beide per arrangiertem Zufall.

Die Liste der in dieser Ausstellung gezeigten Persönlichkeiten umfasst die Namen von 100 Einzelkünstlern und Gruppen. Sie reicht von „The Band“ bis zu Frank Zappa, dazwischen Ike und Tina Turner, John Belushi, Andy Warhol, Joni Mitchell, Johnny Cash, Cher, The Rolling Stones, undundund – aber auch Steve Jobs (mit seinem ersten Computer auf dem Schoß), Billy Wilder, Diane Keaton, Dernnis Hopper oder Hugh Hefner.

[infobox]„Norman Seeff: The Lokk of Sound“ – bis 8. März 2010. Museum für Angewandte Kunst Köln, An der Rechtschule, 50667 Köln. Di-So 10-18 Uhr. Zur Ausstellung erscheint ein kostenloses Begleitheftchen in Deutsch und Englisch, Katalog (Deutsch/Englisch): 39,90 Euro.

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Autor: ehu
Foto: In der Brille spiegelt sich der Blitzlicht-Schirm – Absicht oder Nachlässigkeit? Norman Seeff fotografiert Frank Zappa im Jahr 1976. © Norman Seeff