Es ist wie eine Einladung zum Reisen mit den Augen: Die neue Signac-Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum. Und ein Stück Frankreich in Köln.

Köln | Es ist eine dieser Ausstellungen, bei denen man sich zuerst fragt, ob die Welt sie wirklich braucht, zumal wenn die meisten ausgestellten Bilder ohnehin aus dem eigenen Haus stammen. Van Gogh, die Impressionisten, Picasso; man kennt die Bilder, das Publikum liebt sie; sie sind Publikumsmagneten, aber eine neue Sicht auf die bekannten Bilder zu geben, vermögen die wenigsten Ausstellungsmacher.

Unter dem etwas gewollt anmutenden Titel „Bon Voyage, Signac“ präsentiert nun das Wallraf-Richartz-Museum in Köln eine Ausstellung des französischen Malers. Auch ein Kandidat aus der Sammlung „Kennt man“.

In Paris zeigt das Musée d’Orsay die weltweit größte Impressionismus-Sammlung, in Deutschland wäre es Köln, wenn die Stadt mit der Sammlung Corboud nicht so stiefmütterlich umginge. Dem Schweizer Kunstmäzen Gérard Jacques Corboud (1925-2017) nämlich verdankt Köln über 150 Gemälde von van Gogh, Monet, Renoir etc., eigentlich die umfangreichste Sammlung von Impressionisten und Spätimpressionisten hierzulande. Doch lediglich im Namen „Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud“ lässt sich erahnen, was im Museumsfundus schlummert; der immer wieder versprochene Erweiterungsbau lässt weiter auf sich warten.

Nun also einmal Signac. Paul Signac (1863 – 1935) ist neben Georges Seurat der bedeutendste Vertreter des Pointillismus, jener französischen Malschule der tausend Pinseltupfer, auch Neo-Impressionismus, Divisionismus genannt.

Oft vergessen: Als Präsident der Société des Artistes Indépendants bis zu seinem Lebensende war er auch eine wichtige Figur der französischen Kunstszene und Wegbereiter für andere Künstler bis hin zu Matisse.

Signac-Bild „Konstantinopel“

Aufhänger der Ausstellung ist das Signac-Bild „Konstantinopel“ (1909), das jüngst als Dauerleihgabe in das Wallraf-Richartz-Museum gekommen ist. Die Geschichte ist traurig – hat nun aber ein glückliches Ende gefunden.

Wie andere Unternehmen und Banken der alten Bundesrepublik hatte auch die Westdeutsche Landesbank (WestLB) über die Jahre und Jahrzehnte eine beträchtliche Unternehmenskunst-sammlung aufgebaut, insgesamt gut 380 Objekte, aufgeteilt auf die Standorte Düsseldorf, London und New York. Mit dem Zusammenbruch der WestLB gingen diese in den Besitz ihrer Rechtsnachfolgerin, der Abwicklungsanstalt Portigon AG über, und sollten nach dem Willen der damaligen rot-grünen NRW-Landesregierung und ihres Finanzministers (dem heutigen SPD-Co-Vorsitzenden) Norbert Walter-Borjans zu Geld gemacht werden.

Besonders traurig: Auch der Kölner Geiger-Star Frank Peter Zimmermann, der auf einer ihm von der WestLB zur Verfügung gestellten Stradivari-Geige („Lady Inchiquin“; 1711) spielte und mit ihr so etwas wie eine innige Verbindung eingegangen war, verlor (zeitweise) sein Instrument.

Öffentlicher Protest machte seinerzeit dem wenig kunstfreundlichen Agieren der Landesregierung von Hannelore Kraft ein Ende; mit hilfe eines Kredits der NRW-Bank wurde das Konvolut wohl für knapp 30 Millionen Euro durch das Land Nordrhein-Westfalen erworben und in der Stiftung „Kunst im Landesbesitz“ geparkt. Die verleiht das Signac-Bild nun dauerhaft an das Wallraf-Richartz-Museum. Immerhin: Zum ersten Mal seit 1963, so heißt es, ist es nun öffentlich zu sehen.

Barbara Schaefer, stellvertretende Chefin des Wallraf-Richartz-Museums und Kuratorin der Ausstellung

Barbara Schaefer, stellvertretende Chefin des Wallraf-Richartz-Museums und Kuratorin der Ausstellung, der man schon Ausstellungen wie „Es war einmal Amerika. 300 Jahre US-amerikanischer Kunst“ verdankt, hat ihre Signac-Ausstellung wie eine touristische Bildertour aufgebaut.

17 Bilder Signacs sind zu sehen, zum Großteil aus der eigenen Sammlung, dazu 60 Arbeiten anderer bekannter (Claude Monet, Francis Picabia, Vincent van Gogh) und weniger bekannter Maler.
Der Erkenntniswert der Ausstellung mag nicht besonders groß sein, aber in Pandemie-Zeiten nimmt man dieses Angebot, sich in die Welt zu träumen, gerne an – ein Stück Eskapismus, was es wohl auch schon zur Zeit der Entstehung der Bilder war.

Signac hat leidenschaftlich Hafenansichten und das Meer gemalt, was damit zusammenhängen mag, dass er selbst begeisterter Segler war, vor allem aber damit, dass das Meer mit seinen Lichtreflexen und Spiegelungen für die Pointillisten, deren Ziel es ja war, das Licht zu malen, ein ideales Sujet darstellte.

Die Reise beginnt, wie es sollte es anders sein, in Paris, geht über das damals noch gänzlich ländliche Umland der französischen Capitale in die Normandie und die Bretagne, dann in den Süden ans Mittelmeer. Es folgen Korsika, Monaco Venedig, schließlich Istanbul, das damals noch Konstantinopel hieß. Es ist ein Schwelgen in Licht und Farben.

Natürlich drängt sich ein Vergleich von Damals und Heute auf, aber eigentlich möchte man das wohl gar nicht. Und schon vor einhundert Jahren waren die Bilder ein Stück Weltflucht, eine Flucht auch aus der Stadt ans Meer (wenn die Neo-Impressionisten auch Paris, die Stadt des Lichts liebten). Sehnsuchtsorte waren es zu Signacs Zeiten und Sehnsuchtsorte sind es heute wieder. Signac übrigens beließ es nicht beim Reisen und Segeln; er kaufte sich eine Villa in St. Tropez.

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Wallraf-Richartz-Museum

Bon Voyage, Signac

bis 22.08.2021

Tickets unter: https://wallraf-richartz-museum.ticketfritz.de/

Autor: Von Christoph Mohr
Foto: Ausschnitt aus einem Porträt von Paul Signac /Portrait of Paul Signac, Conté crayon, von Georges Seurat. | Zeichnung: gemeinfrei