Köln | Wie nutzen wir den öffentlichen Raum? Welche Rolle spiele dabei Kunstwerke? Antwort auf diese Fragen zu geben ist Ziel des „Stadtlabors“. Nach Innenstadt, Deutz, Kunibertsviertel sind jetzt die Ringe dran – Kommerz- und Unterhaltungsmeile und zugleich Sorgenkind der Stadtentwicklung. Sechs Künstler stellten jetzt vor, wie sie Antworten finden wollen.

Vielleicht haben die Künstler Boris Sieverts und Uschi Huber ja mehr Glück als Kasper König, Damals noch Direktor des Museums Ludwig. Vergeblich hatte er versucht, den „Ruhenden Verkehr“ von seinem Standort auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings zu befreien. Denn gedacht hatte Fluxuskünstler Wolf Vostell den einbetonierten Opel Kapitän 1969 als Symbol gegen den Autoverkehr, als Störfaktor – am besten, wenn er einen Parkplatz wegnimmt. Am jetzigen Standort hat die Skulptur jegliche kritische Funktion verloren – immerhin ist die Stadt neuerdings bereit, Parkplätze abzuschaffen. Allerdings nur, wenn Gastronomen dafür bezahlen.

Die 4. Runde des Stadtlabors ist der Stadt 60.000 Euro wert

Der „Ruhende Verkehr“ ist nur ein Beispiel, mit dem sich die Künstler in der 4. Auflage des „Stadtlabors“ beschäftigen. 2012 wurde es ins Leben gerufen, ein Experimentierfeld, um die Bedeutung der Kunst als Identitätsstifter, als Impuls- und Ideengeber zu untersuchen, wie es Kulturdezernentin Susanna Laugwitz-Aulbach beschreibt. Aber auch, wie der öffentliche Raum genutzt wird. Für die jetzt aktiven Künstler stehen 60.000 Euro aus dem Kunstetat bereit, dazu noch 20.000 Fremdmittel.

So bauen Sieverts und Huber zum 21. Juli auf dem Grünstreifen neben dem Kartäuserwall einen 28 Meter langen Holztisch auf. Bis zum Jahresende wird er dort stehen und die Menschen einladen, sich die bislang ungenutzte Fläche wie einen Park zu erobern. Am 17. Juli werden fünf Gruppen mit jeweils zehn Radfahrern eine „Soundwolke“ über die fahren und dem Straßenlärm Konkurrenz machen. Am Hohenstaufenring soll ein Hinterhof mit Kölns ältester Kastanie zu besichtigen sein. Und das Franchise-System von internationalen Ketten wie MacDonald wollen sie mit elf Bettlern hinterfragen. Und das Künstlerduo hat noch mehr Ideen.

In Arbeit: eine Bestandsaufnahme der Kunstwerke entlang der Ringe

Grundlegender ist das Projekt von Jan Rothstein (Fotograf), Matthias Hoffmann (Architektur) und die Künstlerin Johanna. Sie wollen zunächst einmal eine Bestandsaufnahme der Kunstwerke entlang der Ringe aufstellen. Die letzte sei aus dem Jahr 1983, inzwischen fehle der Überblick, was noch existiere, was verschwunden sei. Noch sind sie nicht fertig, es gebe etwa 40 Objekte, so die Schätzung. Am Ende soll jedes Kunstwerk einen QR-Code erhalten, der alle Daten festhält. Schließlich wird Reich noch ein Video über die Ringe drehen. Es soll in einer Endlosschleife über 24 Stunden gezeigt werden.

Einen ganz persönlichen Blick hat Frank Bölter: Ihn interessieren die Menschen, die das Image der Ringe ausmachen. Neun sollen es werden, diese „Helden des Alltags“ will er mit Schautafeln an neun Ringabschnitten ehren. Etwas geheimnisvoll ist seine Ankündigung vom „ältesten Taxifahrer Kölns. Ganz konkret dagegen ist Dietlinde Schumacher: Sie führt seit 36 Jahren den Kiosk auf dem Yitzhak-Rabin-Platz, übrigens Kölns ältestes Büdchen. „Durch sie ist das Büdchen eine wichtige Anlaufstelle, das Herz der Umgebung“, schwärmt Bölter.

„Stadtlabor“ hat sich als folgenreiches Experimentierfeld erwiesen. Die erste Runde hatte sich mit Umgang und Bewertung von Kunst im öffentlichen Raum innerhalb eines kleines Planquadrats südlich des Doms beschäftigt. Ausgelöst wurde dabei unter anderem die Diskussion, ob die Dom-Kreuzblume vor dem Domforum dort richtig steht oder ob sie nicht den Blick auf den Dom zerstört – eine Diskussion, die bis heute nicht entschieden ist. Die Vorschlage über den Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum aber wurden inzwischen vom NRW-Städtetag beispielgebend aufgegriffen.


Foto: ehu | In das Büdchen auf dem Yitzhak-Rabin-Platz hat sich Frank Bölter verliebt. Die Betreiberin will er als „Heldin des Alltags“ ehren. 

Autor: ehu
Foto: 1969 war der „Ruhende Verkehr“ noch eine Provokation. 1989 stellte die Stadt den Betonklotz auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings kalt. Foto: ehu