Köln | Kunstgeschichte der Neuzeit ist geprägt durch einen eurozentrischen Blick. Nicht nur Künstler der Südhalbkugel blieben lange außer Sichtweite, auch die USA blieben bis Edward Hopper lange außen vor. Das Wallraf-Richartz-Museum zeigt jetzt mit der Ausstellung „Es war einmal in Amerika“ 300 Jahre US-amerikanische Kunst von 1650 bis 1950 – eine Entdeckungsreise in einen unbekannten Kontinent.

Kunst aus den USA – dafür interessierte man sich in Europa erst seit den Zeiten Edward Hoppers. Ins Zentrum des Interesses geriet sie erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Abstrakten um Mark Rothko oder Barnett Newman und später die Pop-Artisten New York statt Paris zum Weltzentrum der Kunst machten.

Der arrogante Blick Europas auf die frühen Amerikaner

Alles davor war kein Thema für europäische Sammler und auch nur für wenige Museen. Grund dahinter ist sicher eine gewisse Überheblichkeit, die neue – in Europa entstandene – Stilrichtungen wie Impressionismus oder Expressionismus zum Maßstab machte und auch auf hiesige „Zuspätkommer“ oder „Nachahmer“ verächtlich herabblickte. Aber vielleicht hatten die Künstler Wichtigeres zu tun als auf einen fahrenden Zug zu springen. So mögen einige wenige der jetzt gezeigten über 130 Werke nicht den „höchsten“ Qualitätsansprüchen genügen – aber das dürfte generell für viele Museumssammlungen gelten. Um die meisten aber dürften sich Kunstsammler reißen – wenn die Preise zuletzt nicht so angestiegen wären.

Es war also einmal in Amerika: Die ausgestellte Zeitepoche zeigt eine eigenständige Entwicklung, eine Entwicklung, die eng mit dem – politischen – Selbstverständnis der jungen Nation zusammenhängt. Viele der Bilder sind nationale Ikonen und erstmals außerhalb der USA zu sehen. So etwa die riesenformatige „Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung“ von John Turnbull, 1832 – über ein halbes Jahrhundert nach dem historischen Akt entstanden.

Die Ausstellung ist chronologisch geordnet. Die ersten Künstler kamen mit den strenggläubigen Kolonisatoren an die Ostküste. Sich durch ein Porträt der Öffentlichkeit zu zeigen war eine Gott nicht gefällige Eitelkeit und nur in Ausnahmefällen erlaubt, die Maler meist anonym – aber nicht die schlechtesten. Zum Studium ging man später nach London, seltener nach Paris. Hier schuf – nach klassischem Vorbild – John Vanderlyn um 1810 die nackte „Schlafende Ariadne“, für die Amerikaner ein Skandalbild.

Im „Wilden Westen“ das Paradies entdeckt

Als im 19. Jahrhundert die Eroberung des “Wilden Westens“ begann, schlug sich dies in idealisierenden Landschaftsbildern und romantisierenden Genre-Malereien nieder. Frederic Remingtons Bronzeskulptur eines „Zureiters“ (1895) braucht sich mit ihrer Detailfreude nicht vor den europäischen Kollegen zu verstecken. Zugleich wurde das eroberte Land als „Paradies“ verklärt, in dem Mensch und Tier friedlich zusammenleben. Den Blick des gewalttätigen weißen Eroberers konterkariert man in Köln durch Kunstwerke der Indianer.

Im späten 19. Jahrhundert entdecken US-Künstler mit technisch meisterhaften Stillleben die Anziehungskraft der augentäuschenden „Trump-l’Oeil“-Malerei. Sehnsucht nach Exotik findet sich in der US-Kunst ebenso wieder wie Szenen aus dem Life-Style der Oberschicht. Mit der Wende ins 20. Jahrhundert wird dann auch die Arbeitswelt ein Thema. Oder der Boxsport, Symbol für Aufstieg durch die eigene Kraft. Es folgen im „respektablen Querschnitt“ – so ebenso selbstbewusst wie zutreffend Hausherr Dekiert – Impressionismus, Kubismus, Futurismus. Den Schlusspunkt setzen dann die Vertreter des abstract painting.

„Alte“ US-Kunst ist in Deutschland nichts völlig Neues

Nun ist „alte“ US-Kunst auch im deutschen Ausstellungsbetrieb nicht etwas völlig Neues. So gab es 1976 eine Ausstellung in Bonn. 1989 wurde in Berlin US-amerikanische Malerei aus dem 18. und 19. Jahrhundert gezeigt, sie stammten aus US-Museen und der Sammlung Thyssen-Bornemisza in Madrid, die jetzt auch in Köln vertreten ist.

Im Umfang aber ist die Kölner Ausstellung sicher erst- und einmalig und sie steckt voller Entdeckungen – sogar eher Unbekanntes von Edward Hopper ist zu sehen. 80 Leihgeber – vor allem Museen und Privatsammlungen aus den USA – konnten die Kuratorinnen Barbara Schaefer und Anita Hachmann über vier Jahre Vorbereitung für diese Ausstellung gewinnen. Auch das Kölner Museum Ludwig zählt dazu. Hier wäre mit der Pop Art die „Fortsetzung“ von „Es war einmal in Amerika“zu sehen – doch ein entsprechender gemeinsamer Werbeauftritt? Fehlanzeige!

[infobox]„Es war einmal in Amerika – 300 Jahre US-amerikanische Kunst“ – bis 24. März 2019. Wallraf-Richartz-Museum, Obermarspforte, Di-Fr 10-18 Uhr, Do 10-22 Uhr (außer an Feiertagen), Sa und So 11 bis 18 Uhr, jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat bis 22 Uhr. Begleitheft: 12,90 Euro, Katalog: 39,90 Euro

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Autor: ehu
Foto: 1910 malte George Benjamin Luks seinen „Boxkampf“. (San Marino, The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens. Gift of the Virginia Steele Scott Foundation)