Köln | Köln mag keine katholische Stadt mehr sein. Doch katholische Feste bestimmen immer noch den Jahresablauf – ob gesetzlich gefeiert oder nicht. Doch warum es sie gibt, ist heute vielen unbekannt. Dem hilft das kleine Bändchen „Bräuche in Köln gelebt“ von Michael Euler-Schmidt ab, das jetzt im Marzellen-Verlag erschienen ist.

Es ist schon gemein: Da werden im Kölner Dom die Gebeine der Heiligen Drei Könige aufbewahrt, doch der 6. Januar – der Tag, an dem sie Jesus ihre Geschenke in die Krippe von Bethlehem brachten – ist nur in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ein gesetzlicher, das heißt arbeitsfreier Feiertag.

Gefeiert wird er allerdings auch hierzulande – zum Beispiel durch das „Sternsingen“, bei dem als heilige Könige verkleidete Jungen und Mädchen um Spenden für Kinder in Not weltweit singen. Sogar Politiker schließen sich über die Parteigrenzen hinweg zu solch kostümierten Kött-Trios zusammen. Dass bis 1914 ein Maskenball am 6. Januar auch den Beginn der Karnevalszeit bedeutete, wissen heute sicherlich die Wenigsten.

22 solcher mit einem Datum verbundenen Bräuche listet Michal Euler-Schmidt auf. Das reicht – chronologisch geordnet – von Neujahr über Aprilscherz und Schützenfest bis Silvester. Der Autor kennt sich aus – als stellvertretender Direktor des Kölnischen Stadtmuseums und dort Leiter derAbteilung zur Pflege und Erforschung des Kölnischen Brauchtums sowie als Geschäftsführer der Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums.

Die Erklärungen sind kurz und knapp, aber trotzdem umfassend

Kurz und knapp, aber trotzdem umfassend sind die Erklärungen. Eingegangen wird auch auf die „Verweltlichungen“ mancher Bräuche. Fahrlässig knapp wird das allerdings beim 1. Mai. Da hätte man nicht nur gerne erfahren, dass er seit 1933 in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag ist, dessen „politische Bedeutung“ vom Deutschen Gewerkschaftsbund „durch politische und gewerkschaftliche Kundgebungen hervorgehoben“ wird. Vielmehr haben sich die Nationalsozialisten mit der Ernennung des 1. Mai zum „Tag der Arbeit“ einen alten Kampftag der Arbeiterbewegung angeeignet, mit dem diese seit 1890 der blutigen Niederschlagung eines Streiks vier Jahre zuvor in Chicago gedachte.

Ziel des Buches ist über Wissensvermehrung (was hier hervorragend gelingt) das Brauchtum zu erhalten, dessen sich die Kölner so gern rühmen und das wichtig für Identität und Selbstverständnis dieser Stadt ist. Ob das gelingt, ist angesichts der zunehmenden Eventkultur zu hoffen. Die aktuellen Auswüchse am 11. November und der erfolgreiche Karnevalsablegung im Sommer – mit offensichtlich kommerzieller Absicht gepflanzt sprechen dagegen.

[infobox]Michael Euler-Schmidt: „Bräuche in Köln gelebt“ – Marzellen Verlag, Köln 2176, 64 Seiten, 9,99 Euro

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Autor: ehu | Cover: Michael Euler-Schmidt: „Bräuche in Köln gelebt“ – Marzellen Verlag