Köln | Am 15. Februar 2018 ist das Buch von Dogan Akhanli erschienen, „Verhaftung in Granada“, eine andere prominente Geisel, die die türkische Regierung genommen hat, in Spanien, mithilfe von Interpol, ebenfalls, um die deutsche Regierung zu erpressen. „Verhaftung in Granada“ wurde vor dem Einmarsch des türkischen Militärs in Syrien fertiggestellt.

Und doch ist das Buch hochaktuell. Denn es erzählt über die Geschichte staatlicher Gewaltmaßnahmen in der Türkei, sehr subjektiv, sehr nah und dennoch grundlegend – und entschlüsselt damit einen Wiederholungszwang, dem die türkische Politik seit über 100 Jahren unterliegt, dem Wiederholungszwang nationalistisch-militaristischer Aggression, vorwiegend nach innen, aber leider nun auch nach außen. Dogan Akhanli formuliert es in seinem Buch so: „Solange die Begriffe Vaterland, Nation, Verräter und Märtyrer nicht aus dem alltäglichen türkischen Sprachgebrauch getilgt sind und solange die Türkei sich nicht der eigenen Vergangenheit stellt, werden sich zwar die Opfergruppen ändern,aber es wird mit dem Morden kein Ende haben.“

Taktische Vergesslichkeit ist wohl eine der Eigenschaften, die erfolgreiche Politik auszeichnet. „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern…“, soll der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, gesagt haben. Er wollte es nicht als das Lob reinen Opportunismus verstanden wissen. Denn er fügte hinzu. „… nichts hindert mich, weiser zu werden.“

Ob es nun weise ist, den völkerrechtswidrigen Angriff des türkischen Militärs auf die Region Afrin in Syrien zu beschweigen? Oder ob es weise ist, mit demselben diktatorischen Regime wieder freundschaftlich verkehren zu wollen, das man nach Zehntausenden willkürlich Verhafteter und Hunderten Ermordeter in den kurdischen Gebieten sich dann doch endlich zu kritisieren traute?

Am 16. Februar 2018 ist der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel nach einem Jahr in unbegründeter türkischer Haft entlassen worden. Er spart in seinem Buch „Wir sind ja nicht zum Spaß hier“ nicht mit deutlicher Kritik an dem Regime, das ihn als Geisel genommen hat.

Wie es scheint, verlaufen diese Erpressungen einigermaßen im Sinne der türkischen Machthaber: das deutsche Schweigen und Dulden des völkerrechtswidrigen Angriffs auf Syrien und die dortigen kurdischen Gebiete wurde schon erwähnt. Zu verweisen wäre noch auf die Verbote kurdischer Proteste in Deutschland gegen diesen Krieg, der bereits mehr als Hundert zivile Opfer gekostet hat. Zu verweisen wäre auch auf die aktive Unterstützung dieses Krieges durch die deutsche Waffenindustrie (Leopard II).

Es geht ja auch um einiges. Darum nämlich, wer sich welches Filetstück aus dem zerfallenden und zerbombten Syrien herausreißt; die Türkei, Russland, die USA zerren ja schon ordentlich. Da möchte Deutschland doch zumindest nicht abseits stehen. Man setzt – wenn man schon selber keine Truppen im Land hat – am besten auf mehrere Hyänen, eine wird schon durchkommen.

[infobox]Dogan Akhanli „Verhaftung in Granada“

Kiepenheuer & Witsch eBook
 ISBN: 978-3-462-31856-2
 Erschienen am: 15.02.2018
  224 Seiten, eBook
 Lieferbar

Preis

Deutschland9,99 €

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Autor: ag