Köln | Mit der Autobiografie „Flucht vor dem Hakenkreuz“ von Faye Cukier erscheint der 17. Band in der Schriftenreihe des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln. Gleichzeitig ist es der erste Band einer neuen Rubrik mit dem Titel „Biografien und Materialien“. Darin erzählt die Autorin von ihren Erlebnissen, die ihr und ihren Eltern auf der Flucht vor der Verfolgung durch die

Faye Cukier wurde als Fanni Cukrowski als einziges Kind jüdischer Eltern in Köln geboren. Diese waren zu Beginn des letzten Jahrhunderts aus Polen nach Deutschland eingewandert, wo als Staatenlose lebten. Der Vater betrieb in Köln-Mülheim einen gut gehenden Metallgroßhandel, wodurch es die Familie zu Wohlstand brachte. 1930 ließ die Familie ihren Namen durch Gerichtsbeschluss in Cukier ändern, um nicht mehr Anfeindungen aufgrund des polnischen Namens ausgeliefert zu sein.

Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte sich alles im Leben der jungen Fanni. Sie erlebte mehr und mehr den wachsenden Antisemitismus. Der Angriff von „Halbstarken“ auf Fanni, die sie mit Steinen bewarfen und damit stark verletzten, war Auslöser für die Familie, Deutschland zu verlassen. „Bei der Polizei sagte man uns, man könne uns nicht weiterhelfen, da wir keine Menschenrechte besäßen“, erinnert sich Cukier. „Als wir zurück zu Hause waren, hat meine Mutter einen Wutanfall bekommen und wie ein zorniger Panz auf dem Boden herumgetrampelt. Sie sagte, sie könne so in diesem Land nicht mehr weiter wohnen bleiben.“

Am 11. September 1938, nur wenige Wochen vor der Zwangsausweisung polnischer Juden aus Deutschland, gingen zunächst Mutter und Tochter ins belgische Antwerpen. Der Vater folgte, nachdem er geschäftliche Dinge in Köln geregelt hatte, eine Woche vor der Reichsprogromnacht. In den darauffolgenden sechs Jahren gelang es der Familie auf abenteuerliche Weise immer wieder vor der Gestapo zu fliehen. Dabei führte sie ihre „Flucht vor dem Hakenkreuz“ nach Antwerpen, Brüssel, Limburg und Dünkirchen. Die Familie überlebte – anders als viele ihrer Freunde und Bekannten. Einem Roman gleich schildert die Autobiografie, wie Fanni mitten in der bedrohlichsten Verfolgung als junge Frau heranwächst, ihr Interesse für Sprachen und Kunst endeckt, sich geschäftliche Talente im Diamantenhandel entwickeln und sie erste Liebesbeziehungen knüpft. Doch vor allem handelt das Buch davon, wie sie sich und ihre Eltern vor Deportation und Ermordung rettet.

Nach dem Ende des Krieges wanderte Fanni Cukier in die Vereinigten Staaten aus. Dort nahm sie den Vornamen Faye an, da »fanny« im Englischen eine negative Bedeutung hat. Sie arbeitete als Schauspielerin und Model. Die große Hollywoodkarriere blieb jedoch aus. Es blieb bei kleineren Filmrollen. Nach einer glücklosen Ehe heiratete sie Lenny Goldman. Aus dieser Verbindung gehen auch ihre beiden Kinder hervor. In dritter Ehe war sie seit 1977 mit Dr. med. Serafin Torres, ihrem »Engel«, verheiratet, der 2002 unweit ihrer Wohnung in Philadelphia bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam.

Seit den 60er Jahren besucht Faye Cukier regelmäßig ihre alte Heimatstadt, in die ihre Eltern in den 50er Jahren zurückgekehrt waren, um ihr ursprüngliches Geschäft wieder aufzunehmen. letzten Jahrzehnten pendelte sie zwischen Köln und Philadelphia, wobei die Aufenthalte in Köln immer länger werden. Trotz all der negativen Erlebnisse ist sie ihrer Heimatstadt immer verbunden geblieben.

Die Idee, ein Buch über die abenteuerliche Flucht und Rettung ihrer Familie zu schreiben, ist so alt wie ihre Flucht selbst. Bereits während der Zeit in Belgien begann Faye Cukier mit den Aufzeichnungen. Es sollte ein Roman über die Familie Süskind werden. Das Manuskript ging jedoch in New York verloren. 1986 begann sie mit der Niederschrift dieses Buches. 2006 veröffentlichte sie das Buch, nach zahlreichen Absagen seitens der Verleger, schließlich in den USA. „Mir war klar, dass ich das Buch in englischer Sprache schreiben musste. Ich wäre nicht fähig gewesen, es in deutscher Sprache niederzuschreiben.“, erklärte Cukier bei der heutigen Präsentation der deutschsprachigen Ausgabe des Buches im Kölner NS-Dokumentationszentrum, die von Gerrit Wustmann übersetzt wurde.

Infobox:

Faye Cukier: Flucht vor dem Hakenkreuz, gebunden, 368 Seiten. Emons-Verlag, ISBN 978-3-89705-987-0, Preis: 19,95 Euro.

Autor: Daniel Deininger
Foto: Die Autorin Faye Cukier zusammen mit dem Leiter des NS-DOK, Werner Jung bei der Präsentation ihrer Autobiografie.