Köln | Mehrere Zehntausend Menschen besuchten nach Polizeiangaben in Köln das Musikfestival „Arsch-huh“ an der Deutzer Werft. 20 Jahre nach einer ersten großen Kundgebung wollte die Künstlerinitiative „Arsch Huh“ damit am Freitag ein erneutes Zeichen für Toleranz setzen. Kölner Bands wie BAP, Zeltinger oder die Bläck Fööss traten auf dem Festival auf. Ein Polizeisprecher sagte am Abend, das Musikkonzert sei friedlich verlaufen.

Der Zusammenschluss prominenter Rock- und Pop-Musiker war 1992 gegründet worden, um nach einer Welle ausländerfeindlicher Gewalt an den Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938 zu erinnern. An der ersten Kundgebung unter dem Motto „Arsch huh – Zäng ussenander“ am 9. November 1992 hatten den Angaben zufolge 100.000 Menschen in der Kölner Südstadt teilgenommen. Heute erinnerte man mit einem Konzert an das 20-jährige Jubiläum.

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Meinung: Ein Konzert mit Anspruch ja – eine politische Kundgebung nein

Vorweg sei gesagt es ist ganz und gar nichts Schlechtes daran, wenn sich Musiker für Toleranz einsetzen und Ihnen zehntausende zu einem Konzert folgen und friedlich miteinander zu kölscher Musik und einigen wenigen ausländischen Bands feiern und diese dann CD´s verkaufen und an die Veranstaltung 1992 erinnern. Auch dass die Stimmung wie immer prima war, wenn Kölsche mit Kölschen feiern, das ist alles wunderbar und auch ein Zeichen, dass die Menschen friedlich gestimmt sind.

Vor dem Hintergrund der Taten des NSU, der fehlerhaften und falschen Ermittlungen der Polizei, des Aktenschredderns des Verfassungsschutzes allerdings und der immer noch vielen ungeklärten Fragen in dem Fall, stellt sich der Anspruch des Musikereignisses, den sich die Musiker und Initiative selbst gibt, in einem anderen Licht dar und muss neu bewertet werden. Nicht nur, dass die Initiative es nicht, selbst mit dem völkerverbindenden Vehikel Musik, schafft, integrativ zu wirken, zeigt schon die Setlist des kölschen Events. Viel Kölsch, viel Deutsch und ein wenig bunte internationale Einsprengsel. Da wundert es nicht, dass man viele deutsche Menschen zum Gratiskonzert bewegen konnte. Die Zahl der Migrantinnen die gekommen waren, mehr als überschaubar, wenig verwunderlich bei dem Programm. Da bleibt auch der schöne Bläck Fööss Titel „Stammbaum“ am Ende eben doch nur ein Lied von Deutschen über Immis für Deutsche. Und so bleibt als Botschaft zwar, wir sind tolerant, aber mehr auch nicht, denn tolerant sein ist einfach wenn man unter sich bleibt.

Der zweite Kritikpunkt ist, dass man Tätern wie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nicht mit netten Liedchen, Comedy oder Kabarett begegnen kann. Auch nicht Behörden, wie dem Verfassungsschutz, der Kölner Polizei, die alle versagt haben. Und nicht nur die, sondern die gesamte Gesellschaft, gerade in Köln mit dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße. Deren Bewohner lesen heute noch, die seit 2011 als falsch erkannten Anschuldigungen, Stereotypen Behauptungen aus dem Jahr 2004 der Zeitungen und des öffentlich rechtlichen Fernsehens vor. Die sind heute noch gern gesehene und von den Musikern unreflektierte Medienpartner des Festivals und der Bands. Die Opfer beklagen die bis Heute von großen Teilen der Bevölkerung fehlende Solidarität der Kölner Zivilgesellschaft, wie schon 2004. Die Opfer wurden von der Kölner Polizei mittels Rasterfahndung verfolgt und verdächtigt. Wie viele Unterstützer hatte das Zwickauer Trio? Wieviele davon waren V-Leute des Verfassungsschutzes. Und wo stehen wir hier in der Aufklärung? Diese zugegeben komplexen Fragen stellt das Festival Arsch huh nicht? Wo war Arsch Huh 2004, 2011 und wo heute?

Arsch huh und seine Musiker sind in die Jahre gekommen intellektuell und politisch. Sie selbst und ihre Initiative waren 1992 lobenswert, aber Arsch huh 2012 ist so wie „Yesterday“ im Radio und wenig politisch, auch wenn sich die kölsche Politprominenz hinter der Bühne herumtrollte. Ein netter Abend in Köln-Deutz mit tollem Blick auf den Dom und schön Kölsch. Warum wenig politisch? Man sammelt Spenden für den Konzertaufwand, obwohl als Demo angemeldet und damit die Kosten von vornherein niedrig sind, promoted in einer Tour die CD, plant von vornherein ein Buch. Mit dem NSU und der Verstrickung des Staates setzt man sich nicht auseinander oder sammelt etwa Geld für eine unabhängige Stiftung, die sich mit unabhängiger Recherche neu an den Fall wagt. Man bleibt an der Oberfläche, schön zum Einschunkeln auf den nahenden Elften im Elften.  |  ag

Autor: dapd, ag