Köln | Das Festkomitee Kölner Karneval hatte heute zu einer politischen Kundgebung am Kölner Grüngürtel gerufen und viele kamen, auch wenn die erhofften Massen ausblieben. An der Veranstaltungen beteiligten sich nicht nur alle Karnevalsgesellschaften, sondern auch Musiker und Redner aus dem Kölner Karneval, um gemeinsam ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt zu setzen. Den wahren Höhepunkt der Kundgebung erlebten Künstler, Karnevalisten und Besucher dann ganz unverhofft direkt zu Beginn.

Mitten in den ersten begrüßenden Worten von Christoph Kuckelkorn, dem neuen Präsidenten des Festkomitee Kölner Karneval, fiel der Ton aus. Und als nach wenigen Sekunden weiterhin nichts zu hören war, stimmten die Menschen am Grüngürtel spontan „Unser Stammbaum“ von den Bläck Fööss an. Das Lied, das wie kein zweites in Köln für Tolerant und für ein friedliches Zusammenleben steht. Kurz entschlossen kamen daraufhin auch zahlreiche Musiker und Redner aus dem Kölner Karneval auf die Bühne und sangen mit – unterstützt von Bömmel Lückerath an der Gitarre. Ein Gänsehaut-Moment für alle Anwesenden.

Politik statt Karnevals-Party

Kurz danach konnte dann das Programm mit Ton im geplanten Ablauf weitergehen. Die Wiese am Grüngürtel zwischen Vogelsanger und Aachener Straße war gut besucht, auch wenn die erhofften Massen zumindest bis 15 Uhr ausgeblieben waren. Die meisten Menschen und auch Karnevalisten waren in ihrer Alltagskleidung erschienen. Immer wieder blitzte in der Menge jedoch auch mal eine rote Pappnase oder ein bunter Jeck auf. Auch die Musiker und Redner erschienen heute in Zivil. Unterstrichen wurde so die Ernsthaftigkeit der Kundgebung, die sich fröhlich und bunt präsentierte und nicht als karnevalistische Party. „Wir feiern hier keinen Karneval, sondern möchten den Menschen die Gelegenheit geben, ein Zeichen zu setzen an diesem für Köln wichtigen Tag“, so Christoph Kuckelkorn. Nur vereinzelt sah man denn auch Besucher mit alkoholischen Getränken. Ganz bewusst bat auch Kuckelkorn zu Beginn, auf Alkohol zu verzichten. Die Stimmung blieb so ernst, aber auch fröhlich und vor allem friedlich. Die Polizisten, die sich am Rand aufhielten, hatten in diesem Teil der Stadt wenig zu tun. Das Blaulicht wurde nur zur Freude der Kinder eingeschaltet, die sich vereinzelt sogar auf die Polizeimotorräder setzen durften.

Aufgerufen zu der Kundgebung hatte das Festkomitee Kölner Karneval gemeinsam mit all ihren Gesellschaften. Diese marschierten zu Beginn über den Grüngürtel ein – teilweise in Uniform, teilweise auch in Zivil und nur mit einem Schal der jeweiligen Gesellschaft. Unterstützt wurde die Kundgebung auch von dem Comitee Düsseldorfer Carneval, dem Festausschuss Bonner Karneval und dem FestAusschuss Aachener Karneval. Ein Zeichen für Toleranz und Demokratie und gegen Rassismus setzten außerdem zahlreiche lokale Künstler durch ihr Kommen. Dazu gehörten etwa Bläck Fööss, Höhner und Paveier, ebenso wie Kasalla, Cat Ballou, Brings, Miljö, Fiasko sowie  die Domstürmer, Björn Heuser, Kempes Feinest und viele mehr. Durch die Veranstaltung führte die Moderatorin Bettina Böttinger, die im Verlauf des Nachmittags unter anderem auch Stadtdechant Msg. Robert Kleine der Katholischen Kirche sowie Stadtsuperintendent Rolf Domning der Evangelischen Kirche sowie die slamwissenschaftlerin Rabea Müller und Hannelore Bartscherer, die für die Jüdische Gemeinde, begrüßen wollte. Auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte vorab ihr Kommen angekündigt. Die Veranstaltung soll noch bis etwa 17 Uhr weitergehen.


Als der Ton ausfiel, stimmten Besucher und Künstler spontan „Unser Stammbaum“ an

Stimmen gesammelt bei „Mir all sin Kölle“

Christoph Kuckelkorn, Präsidenten des Festkomitee Kölner Kareval: „Jeder Mensch findet in Köln eine Heimat, niemand wird ausgegrenzt, mit einer Ausnahme. Menschenfeinde sind hier nicht willkommen. Denn Köln ist menschenfreundlich, bunt, vielfältig, fröhlich und vielfältig.“

Bastian Campmann, Kasalla: „Die Zeit des Schweigens und Heraushaltens ist vorbei. Es geht jetzt um die Demokratie als solche. Und die Basis der Demokratie sind die Menschenrechte.“

Hartmut Priess, Bläck Fööss: „Vor 50 Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, dass wir hier mit dem Festkomitee so unsere Meinung äußern können. Wir drücken dies auf eine Weise aus, die vielleicht seltsam ist, in Köln aber zum Glück üblich.“

Peter Brings, Brings: „Es war ein unerträgliche Gefühl, als wir erfuhren, dass im Maritim die AfD und so jemand wie Björn Höcke vielleicht auf den selben Brettern stehen wird, wie wir es in der Session tun. Meine erste Reaktion war, dass ich nicht mehr auftreten wollte. Und meine größte Angst heute war, dass das Publikum kein Interesse an Politik hat. Toll, dass ihr heute das Gegenteil beweist.“

Henning Krautmacher, Höhner: „Wir wollen hier Einigkeit demonstrieren. Wir stehen hier heute zusammen für eine gute Sache, während sich die AfD in Köln gerade entzweit.“

Dave Davis, Kabarettist: „Ich bin in Köln geboren. Ich bin ein Kölner mit Bläck Fööss. Es ist gut, dass ihr hier seid. Denn man muss als Gesellschaft aufstehen und sagen, bis hierhin und nicht weiter.“

Bernd Stelter, Comedian: „Europa ist eine wunderbare Sache. Und so ein Europa, wie sich das LePen und Wilders und wie sie alle heißen, vorstellen, das wollen wir nicht. Und dafür müssen wir aufstehen.“

Myriam Chebabi, Immisitzung: „Danke, dass ihr alle hier seid. Was heute in Köln passiert, ist einfach großartig. Auch ich bin als Immi nach Köln gekommen. Wir haben hier eine Familie gegründet, Wurzeln geschlagen. Wir fühlen uns hier zuhause.“

Autor: Cornelia Ott
Foto: Mädchen mit Transparent auf der Kundgebung des Festkomitee Kölner Karneval