Köln | Immer mehr Bundesländer wollen Impfstoffe bei den Hausärzten für alle Menschen freigeben nur NRW nicht. Der Impfstoff von Astrazeneca wird knapp und am Dienstag war bereits jeder 10. Deutsche vollständig geimpft. Eine der Polizeigewerkschaften fordert Zugang zu den Impfdaten des Robert Koch-Instituts (RKI). Die aktuelle Corona-Impflage.

Jeder Zehnte vollständig geimpft – Neuer Tagesrekord am Dienstag

Mit 266.000 Zweitimpfungen gegen das Coronavirus gab es am Dienstag einen neuen Tagesrekord. Insgesamt gab es zum dritten Mal über eine Million Impfungen, teilte das Gesundheitsministerium am Mittwochnachmittag mit. 28,5 Millionen Menschen oder 34,3 Prozent seien mindestens einmal geimpft, 8,3 Millionen oder rund 10 Prozent der Bevölkerung hätten nun den vollen Schutz, hieß es.

Rund 782.000 Erstimpfungen am Dienstag trieben auch die auf eine Woche gerechnete durchschnittliche Zahl an Erstimpfungen wieder etwas nach oben, auf etwa 569.000. Die letzten Tage hatte diese Zahl geschwächelt, der bisherige Höhepunkt mit durchschnittlich 586.000 Erstimpfungen pro Tag Ende April ist seitdem nicht mehr erreicht worden. Am Wochenende wird weiterhin deutlich weniger geimpft als an Werktagen, am letzten Sonntag waren es nur 177.000 Erst- und rund 100.000 Zweitimpfungen.

Polizisten wollen Zugang zu Impfdaten des RKI

In der Debatte um gefälschte Impfpässe und Impfbescheinigungen fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) für Polizisten den Zugang auf die Impf-Datenbank des Robert-Koch-Instituts (RKI). Der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Impfpässe oder andere Impfbescheinigungen sind alles andere als fälschungssicher. Für die Polizei ist eine Fälschung auf dem Papier aber äußerst schwer zu erkennen, wenn sie nicht allzu plump ist.“

Polizisten, Grenzbeamte und kommunale Ordnungskräfte müssten deshalb Zugriff auf die digitalen Informationen des RKI bekommen. Bislang werden diese nur anonymisiert von den Impfstellen gemeldet, das sollte sich jetzt ändern, fordert die DPolG. Wendt sagte: „Die Daten müssten dem RKI komplett, also mit Namen, Personaldaten und Impfdatum übermittelt und dort auch abrufbar gespeichert werden. Dann können sie den Kontrollbehörden für einen Übergangszeitraum online zugänglich gemacht werden, damit die Einsatzkräfte vor Ort direkt abfragen können, ob tatsächlich der erforderliche Impfstatus vorliegt.“

Die Polizeigewerkschaft kritisiert, dass die Politik Erleichterungen für geimpfte Personen beschließt, obwohl die Kontrolle derzeit kaum möglich sei – das sei nicht nur bei der Einreise an der Grenze ein Problem: „Das könnte auch bei größeren Zusammenkünften schiefgehen“, warnte Wendt und sagte: „Ordnungsbehörden oder Polizei werden auf neues Konfliktpotenzial treffen, Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert.“ Für vollständig Geimpfte sind seit einigen Tagen bundesweit bestimmte Corona-Beschränkungen weggefallen, so sind sie von bestimmten Kontaktbeschränkungen und nächtlichen Ausgangssperren ausgenommen. Außerdem ist für sie der Urlaub einfacher: Geimpfte müssen nach der Einreise nicht mehr in Quarantäne – außer, wenn sie aus einem Virusvariantengebiet kommen.

Immer mehr Länder wollen Impfstoff für alle freigeben

Laut Bericht des Wirtschaftsmagazins „Business Insider“ will auch die Hauptstadt bereits ab Montag Corona-Impfstoff für alle freigeben. In Bayern, Brandenburg und Baden-Württemberg wurde das bereits angekündigt – jetzt soll auch Berlin folgen. Priorisierungen nach Alter, Vorerkrankung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe soll es dann zumindest bei den niedergelassenen Ärzten nicht mehr geben.

Jeder, der will, kann sich dann impfen lassen. Allerdings – und das gilt für alle Bundesländer: Es wird ab kommender Woche noch nicht genug Impfstoff für jeden geben. Erst ab Juni sollen wöchentlich deutlich mehr Dosen zur Verfügung stehen.

Denn dann haben die Hersteller fünf bis sechs Millionen Einheiten für Praxen und Impfzentren angekündigt. Für die Hauptstadt gilt nach Informationen von „Business Insider“ dann, dass Hausärzte auch jenseits der Impfpriorisierung nach eigenem Ermessen Impfstoff an Patienten verabreichen dürfen. Sollten Patienten aber zu einer der drei Prioritätengruppen zählen und noch nicht geimpft sein, haben diese trotzdem weiter Vorrang.

Im Klartext: Die Priorisierung können Ärzte eigenmächtig aufheben, sobald sie alle Patienten, die zu einer Prioritätengruppe zählen, aber noch nicht geimpft sind, versorgt haben.

Astrazeneca wird knapp

Seitdem die Priorisierung bei Astrazeneca in den Arztpraxen aufgehoben wurde, erleben Haus- und Fachärzte einen Ansturm von Patienten. „Der Impfstoff von Astrazeneca wird so stark nachgefragt, dass die bereitgestellten Mengen nicht mehr ausreichen“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). „Teilweise hat der Großhandel die Bestellungen, die die Ärzte über die Apotheken eingereicht haben, um 80 Prozent reduzieren müssen. Viele Ärzte sind sehr verärgert, denn bereits bestehende Impftermine müssen nun storniert werden.“ Zuvor hatte manche Kassenärztliche Vereinigung ihren Mitgliedern schon gesagt, dass es keine Begrenzung der Bestellmenge für Astrazeneca gebe – und die hatten entsprechend Termine mit Patienten vereinbart. Zur erhöhten Nachfrage trägt auch bei, dass die zweite Dosis nun in einer Frist von bis zu lediglich vier Wochen gegeben werden kann.

„Die Verkürzung der Impfabstände auf vier Wochen macht den Impfstoff für junge Menschen attraktiv. Sie wollen bei den anstehenden Lockerungen durch einen kompletten Impfschutz gut vorbereitet sein“, sagte Preis. Er betonte aber auch: „Medizinisch gesehen wäre es besser, sich erst nach zwölf Wochen die Zweitimpfung geben zu lassen.“

Zugleich sinken die Lieferungen: In dieser Woche sind den Arztpraxen bundesweit 862.430 Dosen von Astrazeneca geliefert worden, wie aus einer Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. In der nächsten Woche (KW 20) sollen es nur noch 843.250 Dosen werden. Wie es weitergeht, ist offen.

„Die Lieferungen von Astrazeneca sind auch uns nicht über einen längeren Zeitraum bekannt“, sagte die Sprecherin des Gesundheitsministeriums der Zeitung.

Autor: dts, red