Berlin | Entgegen allgemeiner Befürchtungen sind in mehreren Bundesländern während des Corona-Lockdowns weniger Fälle häuslicher Gewalt gemeldet worden. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des „Spiegels“ bei den 16 Landeskriminalämtern zu allen Kriminalitätsbereichen. Nordrhein-Westfalens LKA gab bereits vorläufige Zahlen heraus: Demnach wurden zwischen dem 1. März und dem 26. April 4.295 Fälle von häuslicher Gewalt gemeldet und damit rund ein Viertel weniger als im gleichen Zeitraum 2019 mit 5.814 Fällen.

In allen Bundesländern dämmten die Beschränkungen des öffentlichen Lebens offenbar nicht nur das Coronavirus ein, sondern auch die Kriminalität. Allein in Berlin wurden zwischen dem 14. März und dem 30. April mehr als 20 Prozent weniger Straftaten registriert als im Vorjahreszeitraum. „Der Pfeil zeigt fast überall nach unten“, sagte Polizeisprecherin Valeska Jakubowski.

Kfz-Diebstähle nahmen in Berlin um rund 80 Prozent ab, Taschendiebstähle um rund 60 Prozent. Die Zahl der Wohnungseinbrüche in der Hauptstadt fiel um rund 50 Prozent, die der Raubüberfälle um fast 40 Prozent. Gegenläufig entwickeln sich illegale Autorennen: Auf den leeren Straßen der Hauptstadt haben sich die Rennen verdreifacht.

In anderen Ländern stellt sich die Lage ähnlich dar. Die Zahl der Taschendiebstähle etwa sank in Nordrhein-Westfalen um mehr als 50 Prozent. In Baden-Württemberg ging die Zahl der Eigentumsdelikte deutlich zurück.

In Bremen sank die Zahl der Körperverletzungen. In Schleswig-Holstein wurde ab Beginn der Ausgangsbeschränkungen wochenlang nur die Hälfte der Straftaten im Vergleich zum Vorjahr festgestellt. Bayern meldet in vielen Kriminalitätsbereichen einen „Abwärtstrend“, auch in Hessen ging die Anzahl von Strafanzeigen und Einbruchsdiebstählen zurück. Ein möglicher Grund für den Rückgang der Fälle häuslicher Gewalt: Er könnte sein, dass die Zahlen keinen realen Rückgang abbilden, sondern bloß einem Mangel an sozialer Kontrolle geschuldet sein: Oft sind es Lehrer und Erzieher, die Verdachtsfälle melden.

Autor: dts