Berlin | Die DDR wollte nicht nach dem berüchtigten Auschwitz-Arzt Josef Mengele fahnden, weil man sich davon in der Nachkriegsordnung keine politischen Vorteile versprach. Das berichtet der „Spiegel“ in seiner neuen Ausgabe unter Berufung auf Stasi-Unterlagen, die Henry Leide von der Stasi-Unterlagen-Behörde für das Buch „Auschwitz und Staatssicherheit“ (Neuauflage 2021) ausgewertet hat. Ein Haftbefehl gegen den flüchtigen NS-Verbrecher wurde demnach als „nicht opportun“ eingeschätzt, Anfragen westdeutscher Ermittler verschleppt.

Obwohl das Konzentrationslager Auschwitz vor 1945 zum „Dritten Reich“ zählte, behaupteten hochrangige DDR-Juristen, Polen sei zuständig, weil Mengele dort seine Verbrechen begangen habe. Mengele hatte Experimente an Häftlingen vorgenommen, an Selektionen mitgewirkt und vielfach den Massenmord durch Gas überwacht. Er verbarg sich 1945 in Bayern und floh 1949 nach Südamerika.

Als der israelische Nazi-Verfolger Tuviah Friedman die DDR, wo noch die Todesstrafe galt, 1973 bat, Mengele im Falle einer Festnahme den Prozess zu machen, lehnte die Stasi ab. Sie fürchtete, die Israelis könnten der DDR nach einer Entführung durch den Mossad „einen falschen Dr. Mengele unterschieben“. Mengele blieb unbehelligt und starb 1979 beim Baden in Brasilien.

Autor: dts