Essen | Im Essener Generationenkulthaus leben unterschiedliche Menschen unter einem Dach. Für Norbert Paul, Organisator des Generationskulthauses, beginnt der Arbeitstag früh: Er ist Ansprechpartner für alle Bewohner des Mehrgenerationenhauses in der Essener Innenstadt.

Einem älteren Ehepaar wurde in der Nacht der Autospiegel abgefahren, Paul verspricht, sich darum zu kümmern. Eine junge Frau kommt nicht ins Internet, er hilft ihr mit den Zugangsdaten. Das Telefon klingelt, sein Chef Reinhard Wiesemann fragt, ob das Basilikum auf der Terrasse schon blüht, Paul läuft hinaus und bejaht.Schließlich setzt er sich und beginnt zu erzählen: Vor acht Monaten zogen die ersten Bewohner mit Sack und Pack hier ein. „Es ist eine sehr innovative Idee, das Privatleben auf kleinen Raum zu beschränken und die Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen“, erklärt der 32-Jährige.

Reinhard Wiesemann ist der Initiator des Projektes. Für ihn stand von Anfang an ein Aspekt im Vordergrund: „Ich bin jetzt 54 und habe mich irgendwann gefragt, wie ich leben möchte, wenn ich nicht mehr arbeiten kann. Mir ging es nicht um Komfort oder Pflege, nur um die Frage, wie ich mir mein Leben vorstelle.“ So kam er auf die Idee, dass er auch im Alter noch in der Innenstadt, in der Nähe von Theatern und Kultur leben möchte, um sich unabhängig bewegen zu können. Wiesemann kaufte schließlich spontan das große Bürogebäude an der Viehoferstraße und begann zu planen und zu renovieren. Insgesamt 35 kleine Wohnungen, 21 davon seniorengerecht, sind so entstanden. 23 davon sind bereits vermietet.
„Ein riesiges Hotel“

Für Wolfgang Nötzold, einen selbstständigen Fotografen, bietet das Generationenkulthaus unschlagbare Vorteile: „Ich brauche nicht viel Platz für meine Arbeit, einen Schreibtisch, einen Computer und einen Internetanschluss. In meinem Zimmer stehen noch ein Sofa, ein Regal und mein Bett, das reicht mir.“ Der Essener frühstückt in der geräumigen Gemeinschaftsküche mit Blick auf die Innenstadt und die umliegenden Hügel. „Das ist ein Luxus, den man normalerweise nie bezahlen könnte. Es ist im Grunde es riesiges Hotel.“

Diese Idee bewegt auch die Organisatoren: „Normalerweise würde ein Mieter diesen Ausblick und diese Terrasse genießen und Unsummen dafür bezahlen.“ Das Haus bietet auch einen Weg in die Selbstständigkeit. Im unteren Stockwerk befindet sich eine Ladengemeinschaft, wo jeder Bewohner für wenig Geld selbstgemachte Waren und Dienstleistungen anbieten kann.

Im Generationenkulthaus steht die gemeinsame Nutzung exklusiver Wohnfläche im Vordergrund: Die Mieten für die Apartments sind vergleichsweise hoch, so zahlt man für etwa 50 Quadratmeter 785 Euro. Dafür bekommen die Mieter auch einiges geboten: eine 250 Quadratmeter große Gemeinschaftsfläche mit luxuriöser Küche, gemütlichen Sofas und viel Arbeitsfläche. Eine Dachterrasse mit Sonnenliegen und Blick über Essen, ein kleines Kino und Fitness- und Wellnessräume gibt es auch.
Gemeinschaft ist freiwillig

Gemeinsame Billiardturniere und Filmabende

Viele Aktivitäten sind von Gemeinschaft geprägt, beispielsweise die Billardturniere oder Filmabende. Aber für Organisator Paul ist Freiwilligkeit wichtig: „Wir sind kein betont links geprägtes Wohnprojekt mit wöchentlichen Treffen und Abstimmungen. Wir machen Angebote und wer Lust hat ins Kino zu gehen, der kommt eben mit. Aber niemandem werden Vorwürfe gemacht.“ Doch gerade diese Geselligkeit begeistert viele Bewohner. Fotograf Nötzold sagt: „Natürlich hat man nicht jeden Abend Lust, etwas zu unternehmen. Aber wie oft nimmt man sich vor, in Museen oder zu Konzerten zu gehen und macht es nicht, weil man alleine ist?“ Der Initiator Reinhard Wiesemann ist begeistert von der Lebendigkeit des Hauses. Er selbst hat seinen Wohnsitz dorthin verlegt. „Wieso bis zur Rente warten, wenn es so toll läuft?“ fragt er lachend.

Autor: dapd
Foto: Foto: Tim Schulz/dapd