Remscheid | Zehntausende Autos rauschen täglich an ihr vorbei: Deutschlands älteste Trinkwassertalsperre bei Remscheid findet sich heute in einem Grenzraum zwischen Verkehrslärm und landschaftlichem Idyll – dafür aber mit eigenem Autobahnanschluss. Direkt hinter dem Rastplatz Remscheid an der A 1 – die Zufahrt ist aus beiden Fahrtrichtungen möglich – liegt die Eschbach-Talsperre. Das Stauwerk ist eine wasserwirtschaftliche Pioniertat, mit der für das heutige Nordrhein-Westfalen vor über 100 Jahren der Grundstein zu einer der talsperrenreichsten Regionen in Europa gelegt wurde.

Nach den verregneten Sommerwochen ist der Stauraum auch dort nahezu vollständig gefüllt. Wer daher in diesen Tagen über die rund 160 Meter lange Staumauer geht oder den Stausee auf einer kleinen Wanderung umrundet, mag kaum glauben, dass in der Vergangenheit in dieser wald- und wasserreichen Region das Nass im Sommer knapp werden konnte und zugleich Überschwemmungen in regenreichen Jahreszeiten Industrie und Anwohner vor große Probleme stellten.

Vor diesem Hintergrund entschied sich Remscheid mit der 1891 fertiggestellten Eschbach-Talsperre für eine bautechnische Premiere, die dann um die Wende zum 20. Jahrhundert vor allem im Bergischen Land und dem Sauerland einen Boom für Trink- und Brauchwassersperren auslöste. An den Hauptinitiator der Eschbach-Sperre, den Remscheider Industriellen Robert Böker, erinnert heute an der Nordseite der Staumauer eine in Stein gehauene Büste.

„Herr der Talsperren“

Mit der Errichtung des Stausees beauftragten die Remscheider Stadtväter einen versierten Bauingenieur, der daraufhin zum „Herrn der Talsperren“ avancierte. Otto Intze (1843-1904), Universitätsprofessor und zeitweiliger Rektor der Technischen Hochschule Aachen, brachte deutschlandweit 32 baugleiche Nachfolger auf den Weg, die auch heute noch ihren Dienst versehen. Der Ingenieur erfand das nach ihm benannte Intze-Prinzip, das beim Blick von der Staumauer der Eschbach-Talsperre gut sichtbar ist. Die Staumauer ist aus einzelnen Bruchsteinen zusammengesetzt, verjüngt sich nach oben hin und hat einen bogenförmigen Grundriss. Als sogenannte Gewichtsstaumauer hält sie, anders als etwa aus Erde und aufgeschütteten Steinen gebaute Staudämme, dem Wasserdruck durch ihr eigenes Gewicht stand. In ihrem Innern verfügt sie zudem über Kontrollgänge und Messinstrumente.

Dieses markante Bauprinzip prägt auch heute einen Großteil der Talsperrenlandschaft vor allem im Bergischen Land und dem Sauerland. So entstanden nach Intzes Plänen zum Beispiel die mächtige Möhnetalsperre bei Soest (1913), die Sengbachtalsperre bei Solingen (1902), die Ennepetalsperre in Breckerfeld (1904) oder auch die Urfttalsperre in der Eifel (1904). Aber auch in Sachsen, Thüringen, Hessen, Böhmen und Schlesien finden sich Intze-Sperren.

Aufwändige Sanierung

Mit der Sicherstellung der Remscheider Trinkwasserversorgung durch die Eschbach-Sperre prägte Intze im Einzugsgebiet von Wupper und Ruhr bis in die heutige Zeit nicht nur die bautechnische Seite der Wasserwirtschaft. Denn der Betrieb einer großen Zahl von Talsperren muss auch geplant und verwaltet werden. So brachte Intze 1895 zunächst die Wuppertalsperren-Organisation mit auf den Weg, aus der später der heutige Wupperverband wurde. Er betreut die zwölf Talsperren im Einzugsgebiet der Wupper.

Vier Jahre später zog das Revier auf der Grundlage von Intze-Gutachten mit dem Ruhrtalsperrenverein nach. Die Organisation brachte den Bau von Stauwerken in der Revieregion voran und machte auch dort die gleichmäßige Versorgung mit Trink- und Brauchwasser sowie den Hochwasserschutz möglich. Vergleichbare Einrichtungen sind der Aggerverband und der Wasserversorgungsverband Rhein-Wupper. Spätere Bauherren von Talsperren verabschiedeten sich dann seit den 1930er Jahren vom Intze-Prinzip – aus Kostengründen und nicht zuletzt auch, nachdem zahlreiche seiner Sperren Undichtigkeiten im Mauerwerk zeigten und in jüngster Zeit mit Millionenaufwand saniert werden mussten.

So hat etwa die 1965 eingeweihte Bigge-Talsperre im Sauerland, die Rohwasser für das Ruhrgebiet liefert, einen Felsschüttdamm mit einer Innendichtung aus Asphaltbeton. Aus dem gleichen Material besteht auch die jüngste der bergischen Sperren, die erst 25 Jahre alte Wupper-Talsperre. Mit der Eleganz der Intze-Staumauern können diese Bauwerke aber nicht mithalten.

Autor: Frank Bretschneider/ dapd | Foto: kreativfabrik 1/ fotolia