Stolberg | Das weltweit erste Denkmal für die Opfer des Schlafmittels Contergan trifft bei Betroffenen auf massive Kritik. „Für uns ist klar, dass es für die Firma Grünenthal eine günstige PR-Maßnahme ist“, sagte die Sprecherin des Bundesverbandes Contergangeschädigter, Ilonka Stebritz, der Nachrichtenagentur dapd. „Dass ausgerechnet Grünenthal das Denkmal zahlt, haben wir nicht gewusst.“ Die Bronze-Skulptur wird am Freitag (31. August) von der Stadt Stolberg bei Aachen auf Initiative des Betroffenen Johannes Igel enthüllt.

„Wir werden Contergan niemals vergessen“

Die Kosten in Höhe von 5.000 Euro hat der Stolberger Pharmakonzern Grünenthal übernommen, der Contergan vor mehr als 50 Jahren hergestellt hatte. Tausende schwangere Frauen hatten damals nach Einnahme des als ungefährlich angepriesenen Mittels Kinder mit Fehlbildungen zur Welt gebracht. Statistiken gehen von rund 5.000 Opfern aus. 1961 zog das Unternehmen das Medikament zurück.

Der Verein Contergan-Netzwerk hat für Freitag eine Demonstration in Stolberg angekündigt. Trotz der Kritik will Grünenthal an der Feierstunde teilnehmen. Hätte das Unternehmen die Finanzierung nicht übernommen, „hätte es das Denkmal zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort nicht gegeben“, sagte ein Unternehmenssprecher. „Wir haben immer wieder betont, dass wir Contergan niemals vergessen werden.“ Die Einweihung sei „eine Veranstaltung der Stadt Stolberg und eine Initiative von Herrn Igel“.

Verbandssprecherin Stebritz sagte: „Wir stehen nicht zum Contergan-Denkmal.“ Der Bundesverband Contergangeschädigter werde der Einweihung trotz Einladung fern bleiben. Bei der Umsetzung sei der Verband nicht ernsthaft involviert worden. „Die Planungen haben wir nur scheibchenweise mitbekommen. Wir wussten lange nicht, wie die Skulptur heißt, und noch länger nicht, wer sie bezahlt.“ Als Grünenthal als Sponsor zutage getreten sei, seien die Betroffenen „aus allen Wolken gefallen“.

„Medienwirksamer Coup“

„Grünenthal hat immer noch nicht erkannt, dass es in der Schuld steht“, sagte Stebritz. Es gebe genügend Dinge, die das Unternehmen für Contergangeschädigte tun könne. „Stattdessen entscheidet es sich für einen medienwirksamen Coup. Sie wollen mit möglichst geringen Mitteln den größten Effekt erzielen.“

Auch die Art der Skulptur, die ein Kind ohne Arme zeigt, trifft bei dem Verband auf Unverständnis. „Das Bild eines Kindes kommt viele Jahre zu spät“, sagte Stebritz. Die rund 2.400 noch in Deutschland lebenden Opfer seien inzwischen 50 Jahre und älter. „Unsere wirkliche Lebenssituation wird mit der Darstellung eines Kindes verniedlicht.“

Die Statue des Künstlers Bonifatius Stirnberg soll in einem Kulturzentrum der Stadt seinen Platz finden. „Für einen Standort gibt es sicherlich prominentere Plätze als ein Kulturzentrum“, kritisierte Stebritz. Die Stadt Stolberg wies die Vorwürfe zurück. Die Skulptur werde in einem stark frequentierten öffentlichen Gebäude gezeigt und von vielen Besuchern täglich gesehen, teilte eine Stadtsprecherin am Donnerstag mit.

Autor: Fabian Wahl/ dapd