Waldsee | Das aus Afrika stammende Usutu-Virus hat in Südwestdeutschland erneut ein Massensterben bei Amseln ausgelöst und inzwischen auch Menschen infiziert. In der Umgebung von Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz würden täglich bis zu zehn tote Amseln entdeckt, sagte Norbert Becker von der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Stechmückenplage am Oberrhein (KABS) in Waldsee der Nachrichtenagentur dapd. Das Virus raffe selbst Küken in ihrem Nest dahin. Erste Fälle wurden bereits in Nordrhein-Westfalen festgestellt

Infektionen bei Menschen nachgewiesen

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin hat inzwischen auch eine Infektion beim Menschen nachgewiesen. Nach Angaben des Leiters der virologischen Diagnostik, Jonas Schmidt-Chanasit, verlief bei Untersuchungen des Blutes von 4.200 Blutspendern aus der Rhein-Neckar-Region ein Test positiv. Ein Patient aus dem hessischen Groß-Gerau hatte Antikörper gegen Usutu im Blut, war also wenige Monate zuvor daran erkrankt.

Erkrankung beim Menschen wird oft nicht erkannt

Vermutlich gebe es noch mehr Fälle, doch die Erkrankung werde oft nicht erkannt, sagte Schmidt-Chanasit der dapd. Bei leichtem Fieber und Hautausschlag würden Hausärzte kaum an das Usutu-Virus denken und viel eher eine Sommergrippe diagnostizieren. Schwere Fälle wie in Italien, wo das Virus bei immungeschwächten Patienten eine Gehirnentzündung ausgelöst hatte, gebe es in Deutschland bislang nicht.

Der Erreger wird von Hausmücken übertragen und tritt nur im Sommer in Erscheinung. Überraschend sei, dass Usutu in diesem Jahr genauso schlimm wüte wie 2011, als er erstmals in Deutschland grassiert sei, sagte Becker. Die KABS-Experten hatten darauf gehofft, dass die Vögel Resistenzen entwickeln und dadurch der Vormarsch des Virus gestoppt wird. Stattdessen habe sich die Problematik nur räumlich verschoben. Tote Vögel würden derzeit insbesondere entlang der Weinstraße von Neustadt über Landau und Bad Dürkheim bis nach Ludwigshafen und Walldorf gemeldet. Das Vogelsterben mache viele Menschen sehr betroffen: Manche Anrufer bei der KABS weinten am Telefon, weil sie um die Amseln in ihrem Garten trauerten.

Tote Amseln auch in anderen Bundesländern

Zugleich zeichne sich ab, dass sich das Virus in Deutschland weiter ausbreite, sagte Becker. Inzwischen gebe es einen ersten Fund in Nordrhein-Westfalen und zwei Funde in der Region um Freiburg in Baden-Württemberg. Befördert werde die Entwicklung durch die Wetterlage in diesem Sommer: Regen und Unwetter begünstigten die Ausbreitung von Mücken, die Usutu übertragen.

Schmidt-Chanasit betonte, der Mensch könne die Ausbreitung des Virus nicht oder nur durch sehr kostspielige Maßnahmen verhindern. Es könne Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis das Virus zurückgehe. In dieser Zeit sei mit teils dramatischen Rückgängen bei der Amselpopulation zu rechnen. Der Erreger habe das Potenzial, im Laufe der Jahre in Deutschland Millionen Vögel zu töten. Ob und wohin er sich ausbreite, sei allerdings noch völlig unklar.

Autor: dapd
Foto: Matthias Rietschel | dapd