Düsseldorf | Schalen aus Textil statt Keramik sowie Ohrringe und Halsketten, mit denen der Träger Seifenblasen machen kann – was ungewöhnlich klingt, ist die Neuinterpretation klassischen Handwerks. Eine Generation junger Nachwuchsdesigner wagt das Neue und kombiniert eigentlich gegensätzliche Metiers miteinander. Das Resultat zeigen sie auf der Konsumgütermesse „Tendence“ in Frankfurt (24. bis 28. August).

Nicht nur gucken, sondern auch anfassen lautet die Devise bei Kathrin Morawietz. Sie kreiert Schalen, die optisch an klassische Schüsseln für Frühstücksflocken oder trendige Übertöpfe für Blumen erinnern. „Wer die Schalen bloß betrachtet, meint zunächst, dass sie aus Keramik oder einem ähnlich Material sind“, berichtet die Designerin aus Kevelaer. Sie animiert die Betrachter dann gern, die Schalen in die Hand zu nehmen. „Beim Anfassen gibt es einen Aha-Effekt: Die Schalen sind aus Textilien“, sagte Morawietz.

Entstanden ist die Idee textiler Schalen während ihres Studiums. Nach einem Praktikum in einer Drechslerei, in der Holz vorwiegend auf einer Drehbank verarbeitet wird, stand für die 23-Jährige fest, selbst zu drechseln. „Da mir Holz als Werkstoff zu nahe liegend war, habe ich überlegt, welches Material am weitesten von den Eigenschaften des Holzes entfernt ist. Flexibel, weich und im Grunde nichts von dem könnend, was Holz kann – da fiel die Entscheidung auf Stoff und Textilien“. Stoffschicht für Stoffschicht trägt sie in stundenlanger Handarbeit auf, dazwischen eine dünne Schicht Leim, bis eine recht stabile Schale entsteht. „Es ist natürlich nichts für die Gulaschsuppe am Sonntag“, erklärt Morawietz. Die Schalen seien im Grunde „Handschmeichler“.

Schmuck weckt Kindheitserinnerungen

Vivian Meller geht ebenfalls ungewohnte Wege. Sie setzt auf das Kind im Erwachsenen. Die junge Schmuckdesignerin aus Düsseldorf entwirft Ringe, Ohrschmuck und Halsketten, mit denen sich auch Seifenblasen machen lassen. „Ich lasse mich von Kindheitserinnerungen, Wünschen, Träumen und Gefühlen inspirieren. Da entsteht ein Bild in meinem Kopf und das will ich mithilfe von Form, Farbe und außergewöhnlichen Materialien in Schmuck umsetzen“, sagte die 29-Jährige der Nachrichtenagentur dapd. Ihre Ringe und Ketten haben die Form von Seifenblasen-Pustestäbchen – und lassen sich als solche nutzen. „Den Seifenblasenschmuck kann man jederzeit in ein Pustefixröhrchen tauchen und dadurch tatsächlich Seifenblasen machen“, erklärte Meller.

Interessenten gibt es einige. „Die Seifenblasen wecken viele Erinnerungen, die Menschen freuen sich darüber“, sagt die Nachwuchsdesignerin, bei der schon Bestellungen aus Italien eingegangen sind. Mit dem Schmuck zeige der Träger, dass er gerne träume, verspielt sei und Spaß an solchen Kindheitserinnerungen habe. „Klassischer Schmuck war früher darauf ausgelegt, zu zeigen, was man hat und besitzt. Bei mir liegt die Wertigkeit in dem Gefühl, dass das Schmuckstück vermittelt.“ Das gilt auch für ihre Broschen, die wie Eis am Stiel aussehen und deshalb auch so heißen: Sie sollen beispielsweise an das bunte Treiben rund um die Kirmes erinnern.

Messe „Tendence“ als Übung und Feedback-Möglichkeit

In der eigenen Werkstatt fertigt Meller den Schmuck. Hier kann sie verschiedene Techniken und Materialien ausprobieren und ihre Entwürfe in die Tat umsetzen. Auf der Frankfurter Messe, wo sie als eines von 40 Designtalenten einen Ausstellungsplatz gewonnen hat, will sie sich einem breiten Publikum präsentierten. „Es ist eine Übung für die Zukunft, wie ich mich und meine Stücke an den Mann, besser gesagt an die Frau, bringen kann“, sagte die Düsseldorferin.

Auch Kathrin Morawietz blickt erwartungsvoll voraus. „Spannend an Messen ist, dass man die unmittelbare Reaktion der Menschen mitbekommt und ein direktes Feedback erhält“, sagte die Schalendesignerin, die sich auf den Gesichtsausdruck freut, wenn Besucher erkennen, dass es sich um Stoff- statt Keramikschalen handelt. Beide Designerinnen, die sich auch als Künstlerinnen verstehen, wollen möglichst viele Menschen erfreuen – was mit Seifenblasen und Handschmeichlern sicherlich gelingen dürfte.

Autor: Benjamin Palm/ dapd | Foto: Mark Keppler/ dapd
Foto: Designerin Vivian Meller mit ihrem Seifenblasen-Ring