Dortmund  Der Einstieg ist fulminant: Hier fällt ein junges Pärchen liebeshungrig übereinander her, dort stürzt ein Mann tödlich getroffen und bleibt reglos liegen. Beide Geschichten sind ineinander verwoben, ein schneller Schnitt zum anderen Schauplatz jagt den nächsten. Zeit, sich langsam einzugewöhnen, bleibt den Zuschauern im ersten Dortmunder „Tatort“, der am Sonntag (23. September, 20.15) im Ersten ausgestrahlt wird, nicht.

Doch damit sind sie nicht allein. Auch die Dortmunder Kommissare hätten sich ihr erstes Aufeinandertreffen mit ihrem neuen Chef wohl anders vorgestellt. „Ich habe ihre Personalakten angeguckt, Sie haben mich gegoogelt, reicht doch“, grantelt Peter Faber alias Jörg Hartmann am Tatort seinen verdutzten Mitarbeitern entgegen und schlägt die ihm entgegengestreckten Hände aus.

Statt sich mit Höflichkeiten abzugeben, schnüffelt er sich lieber durch den gesamten Putzschrank des Toten und schleift die sichtlich geschockte Bekannte des Opfers zur Leiche. Ob sie sich an diese Ermittlungsmethoden des neuen Chefs gewöhnen werden, da sind sich die jungen Kollegen nicht so sicher.

Keine Figuren zum schnellen Liebhaben

„Es sind vier schräge Figuren“, sagt Regisseur Thomas Jauch über seine vier Ermittler und schiebt hinterher: „Die werden Sie nicht nach fünf Minuten lieb haben.“ Und in der Tat fällt es vor allem schwer, sich mit Kriminalhauptkommissar Faber zu identifizieren. Der depressive Ermittler, der aus Lübeck zurück in seine Heimat kommt, ist ein Einzelgänger, duldet keinen Widerspruch und provoziert scheinbar bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Immer wieder versucht er, sich in die Täter hineinzuversetzen und steigert sich dabei beängstigend in seine Rolle hinein.

Hartmann selbst beschreibt sein Film-Ego als einen sperrigen Typen, der kalte Ravioli aus der Dose isst und offenbar nicht viel davon hält, sich im Büro auf einen Stuhl zu setzen. Drehbuch-Autor Jürgen Werner sagt über seinen Protagonisten. „Er ist ein sehr kantiger, sehr ungewöhnlicher Typ, ist nicht gerade ein sozialer Mensch. Wenn es darum geht, Mordfälle zu lösen, ist er rücksichtslos gegenüber sich selbst und auch gegenüber seiner Umwelt.“

Faber interessantester Charakter

Zumindest in der ersten gemeinsamen „Tatort“-Folge stiehlt Hartmann seinen Kollegen die Show, weil er als interessantester Charakter daherkommt. Doch auch mit dem Film-Ego haben seine Kollegen Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske), so ihre Probleme – nicht zuletzt, weil der Neue Bönisch als Leiter der Mordkommission vorgezogen wurde. Viel Stoff also für Konflikte. Und auch die Affäre der beiden jungen Kommissare Nora und Daniel macht die Welt der vier nicht unbedingt leichter.

Mit ihren schnellen Schnitten und den teils sehr jungen Kommissaren scheinen es die Macher des Dortmunder „Tatort“ vor allem auf ein jüngeres Publikum abgesehen zu haben. Dabei gelingt es ihnen, eine Balance zwischen klischeebehaftetem Lokalkolorit und im übrigen Deutschland vielleicht immer noch unbekannter neuer Dortmunder Wirklichkeit zu finden. So wird Kommissar Kossik zwar von einem lauten Borussia-Fanlied geweckt, und Bönisch hat es mit einem Taubenzüchter zu tun. Aber auch das neue Dortmund mit seinen Hightech-Unternehmen ist Schauplatz der Handlung.

Wenig innovativ ist jedoch die Geschichte der ersten Dortmunder „Tatort“-Folge „Alter Ego“, in der Faber und Kossik – sehr zum Leidwesen des Jüngeren – in die Schwulenszene eintauchen. Dem Dortmunder Premierenpublikum, das den Film bereits am 17. August im BVB-Stadion zu sehen bekam, hat es trotzdem gefallen. Ob dies allein an der lokalpatriotischen Brille lag, können am Sonntag die Zuschauer im übrigen Land entscheiden.

Autor: Tonia Haag/ Foto:Juergen Schwarz/dapd
Foto: Die Schauspieler Jörg Hartmann (von rechts), Anna Schudt, Aylin Tezel und Stefan Konarske posieren in Dortmund im Stadtteil Hoerde am Set des neuen „Tatort“.