Berlin | aktualisiert | Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat Anzeige wegen möglicher Strafvereitelung im Amt und Urkundenfälschung im Landeskriminalamt erstattet. Zudem sollen Beamte im LKA Berlin disziplinarrechtlich überprüft werden, erklärte Geisel am Mittwoch. Hintergrund ist der Fall des Berliner Attentäters Anis Amri. Die Grünen fordern mittlerweile einen Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Fall Anis Amri.

Dieser sei einem neu aufgetauchten Dokument zufolge bereits vor dem Anschlag als „banden- und gewerbsmäßiger“ Dealer aufgefallen: Eine Verhaftung sei daher „wohl möglich gewesen“, so Geisel. Es werde nun geprüft, ob das Dokument im LKA vorsätzlich zurückgehalten wurde. Bei dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche waren am 19. Dezember zwölf Menschen ums Leben gekommen. Amri wurde auf der Flucht in Italien von der Polizei erschossen.

Grüne für Bundestags-Untersuchungsausschuss zu Anis Amri

Die innenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, hat nach den jüngsten Nachrichten über Versäumnisse und mögliche Vertuschungen der Berliner Sicherheitsbehörden im Fall Anis Amri einen Untersuchungsausschuss des Bundestages gefordert. „Ein Untersuchungsausschuss ist dringlicher denn je“, sagte sie der „Berliner Zeitung“ (Online-Ausgabe). „Die anderen Fraktionen müssen nur noch Ja sagen. Denn die Zeit läuft uns weg. Wir müssen die vorhandene Zeit nutzen.“ Die Grünen drängten trotz des baldigen Endes der Legislaturperiode bereits seit längerem auf einen Untersuchungsausschuss, doch die anderen Fraktionen reagierten nicht, so Mihalic.

Den Vorgang selbst nannte sie „unfassbar“. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), sagte der „Berliner Zeitung“: „Der Vorgang bestätigt, was wir seit vielen Monaten sagen: Man hätte Anis Amri frühzeitig aus dem Verkehr und den Anschlag am Breitscheidplatz verhindern können.“ Was am Mittwoch bekannt geworden sei, „halte ich für hochnotpeinlich und in hohem Maße aufklärungsbedürftig“, fuhr Mayer fort.

„Das wirft kein gutes Licht auf die Berliner Justiz“. Zuvor war bekannt geworden, dass Mitarbeiter des Berliner Landeskriminalamts Amri nach Überzeugung des Senats hätten festnehmen lassen können und offenbar versucht haben, dieses Versäumnis im Nachhinein zu vertuschen. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Vorwürfe im Raum stehen – Strafvereitelung zugunsten Anis Amri und Falschbeurkundung“, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch.

Bosbach zum Fall Amri: Beispielloser Skandal droht

Nach Ansicht von CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach droht im Fall Anis Amri ein „beispielloser Skandal“: Wenn sich der Verdacht bestätige, dass der Attentäter vor dem Anschlag in Berlin wegen bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln aufgefallen sei, „muss davon ausgegangen werden, dass Amri bereits im Herbst 2016 nicht nur hätte verhaftet werden können, sondern auch verhaftet werden müssen“, sagte Bosbach der „Heilbronner Stimme“ (Donnerstagsausgabe). „Sollte es sich bestätigen, dass die Fallauswertung vordatiert wurde, um dieses Versagen im Nachhinein zu vertuschen, wäre dies ein beispielloser Skandal, der nicht ohne politische und strafrechtliche Folgen bleiben darf.“

Autor: dts
Foto: Mit diesen Fotos fahndete die Polizei nach Anis Amri