Sundern | Geübt setzt Eberhard Hennecke die Kettensäge an den Stamm der Nordmanntanne in Sundern. Wenige Sekunden später kippt der hohe Baum sanft auf die Äste. Der erste Öko-Weihnachtsbaum im Sauerland ist gefällt. Die Produzenten dort haben dem Druck der Bevölkerung nachgegeben und das Label „Fair Forest“ geschaffen. Es soll eine transparente und ökologische Herstellung garantieren. „Wir wollen zeigen, was wir produzieren und wie“, sagt Hennecke, der als einer der großen Erzeuger im Sauerland in diesem Jahr erstmals zertifizierte Bäume verkaufen will. Umweltschützer kritisieren die Qualitätsstandards als zu niedrig.

Zehn Punkte sind es, die Anbauer für das neu geschaffene Siegel „Fair Forest“ einhalten müssen. Zudem soll im nächsten Jahr noch eine Zertifizierung nach dem Label „Global Gap“ dazukommen. „Einige Punkte sind sicher sehr einfach und notwendig“, sagt Hennecke. Es gebe zum Beispiel andere Spritztechniken. Auf den Einsatz sogenannter tallowaminhaltiger Glyphosate soll verzichtet werden, weil sie nach neuen Erkenntnissen möglicherweise gesundheitsschädlich sind.

Fahrgassen und Randstreifen sollen zum Schutz der Tiere und Pflanzen nicht mehr mit Chemie behandelt werden dürfen. Der Bereich zwischen Wegen, Grundstücken und den Monokulturen soll mit Hecken bepflanzt werden, damit Spaziergänger und Touristen die Plantagen nicht direkt sehen. „Das ist im Grunde genommen für die Optik“, sagt Hennecke, der auf 250 Hektar vor allem Tannen für Schnittgrün anbaut.

Bürger machten Druck auf Erzeuger

Vier große Anbauer haben das Label initiiert, 50 Betriebe haben bislang unterschrieben, dass sie ihre Bäume mit dem Siegel vermarkten wollen. Das seien 70 bis 80 Prozent der Fläche, auf denen Weihnachtsbäume im Sauerland angebaut würden, sagt Hennecke. Er weiß, dass das Label auf Druck der Bevölkerung eingeführt wurde. Die Bürgerinitiative „Giftfreies Sauerland“ hatte die Menge der eingesetzten Spritzmittel und die immer mehr werdenden Plantagen kritisiert.

Etwa zehn Millionen Nordmanntannen und andere Arten werden jedes Jahr im Sauerland produziert. Die Region ist damit nach Angaben von „Sauerland Initiativ“ Weltmarktführer bei Weihnachtsbäumen. Das neue Label ist aber nicht vergleichbar beispielsweise mit dem EU-Bio-Siegel. „Öko heißt nicht Bio“, betont Hennecke. Es dürften zum Beispiel weiter Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

Gerade deshalb bezeichnet der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW das neue Label als Marketingangelegenheit. Der Sprecher des Landesarbeitskreises Wald, Horst Meister, sagt: „Die Qualitätsstandards sind sehr niedrig“, den Verbrauchern werde etwas vorgegaukelt. Der Name „Fair Forest“ erwecke einen falschen Eindruck.

Bäume weiter mit Chemie behandelt

Als Grund für das neue Label vermutet Meister: „Die Menschen sind ja siegelgläubig.“ Der Umweltschützer kann nicht nachvollziehen, ob „Fair Forest“ tatsächlich zu Veränderungen führt. „Die tatsächlichen Effekte liegen uns noch nicht vor.“ Weihnachtsbaumerzeuger Hennecke hält dagegen: „Es ist nicht so, dass wir den Leuten was vormachen wollen.“ Ein großer Teil der Fläche sei nicht mit Chemie behandelt, die Erzeuger müssten die Abläufe ändern und investieren, um die Kriterien zu erfüllen. Jeder Käufer solle zudem sehen können, was für einen Baum er kaufe: „Wir wollen ein gläsernes Produkt.“

Er betont, ein Weihnachtsbaum nach Bio-Kriterien würde viel teurer sein. „Und der entspricht sicher nicht den optischen Standards der Verbraucher.“ Der Aufwand sei nicht machbar bei einem Massenprodukt, zumal die Menschen für die Bäume nicht mehr bezahlen wollten. „Wir stehen unter dem Preisdruck der Bevölkerung“, sagt Hennecke. Deswegen werden die Bäume mit dem „Fair Forest“-Siegel seinen Angaben zufolge auch nicht teurer als die ohne. „Der Markt wird später zeigen, ob der Verbraucher das Label wünscht.“

Autor: Helena Baers, dapd | Foto: Sascha Schuermann/dapd
Foto: Der Weihnachsbaum-Erzeuger Eberhard Hennecke erntet in Sundern/Sauerland für einen Schweizer Kunden einen Weihnachtsbaum.