Leverkusen | Bis zum Bauch steht Nikola Theißen in der Wupper bei Leverkusen und zieht ihren Kescher durch das Wasser. Die Fischökologin des Landesumweltamts LANUV will den Fischbestand am Zufluss zum Rhein überprüfen. „Schmerle, bis zehn“, ruft sie einem Kollegen zu, der am Flussrand die Fischart und ihre Größe notiert. „Wir haben Barben, Koppen, Döbel – die Fische, die hier reingehören“, sagt sie. Theißens Funde zeigen: Inzwischen fühlen sich viele Arten wieder im Rhein und den Nebenflüssen wohl.

„Die gute Nachricht ist, dass fast alle Fischarten im Rhein, die ursprünglich heimisch waren, wieder heimisch werden“, sagt Cornelia Schütz, Gewässerökologin beim LANUV. Derzeit gebe es 46 Arten im Rhein, darunter Lachse und Maifische, die mit einem Programm wieder dauerhaft angesiedelt werden sollen. Schütz relativiert jedoch: „Die Menge an Fisch ist nicht so erfreulich.“ Grund sei, dass die organische Belastung des Rheins abgenommen habe. Von dieser ernährten sich die Fische.

Richtig heimisch sind die Lachse und andere Wanderfische zudem nicht: Damit sie irgendwann einen selbsterhaltenden Bestand erreichen, setzt das LANUV jährlich Hunderttausende Larven und Jungfische aus. Demnach sollen in diesem Jahr mehr als eine Million Junglachse in Sieg, Aller und dem Wuppersystem ausgesetzt werden sowie etwa zwei Millionen Maifisch-Larven in der Lippe und in Hessen. Pro Jahr kehren laut Landesamt etwa 400 bis 700 Fische davon zurück nach NRW. Die Quote der Rückkehrer im Rhein liege bei unter einem Prozent. In völlig naturbelassenen Gewässern, in denen sich die Bestände selbst erhalten, sind es 3 bis 3,5 Prozent.

32 Monitoringstellen am Rhein

Ein weiteres Problem ist der starke Ausbau des Rheins. „Was uns fehlt, sind die Auen“, sagt Schütz. Es sei alles eingetieft worden oder hinter Deichen. Stefan Staas, Geschäftsführer der Rheinfischereigenossenschaft, sagt: „Früher gab es riesige Auen, das waren Nahrungsgründe, Laichgründe und Fortpflanzungsgründe“. Diese seien unwiederbringlich verloren. Deshalb werde der Ursprungsbestand des Rheines nie wieder erreicht. Wie viele Fische sich im Rhein und seinen Nebenflüssen tummeln, überprüft das LANUV an Monitoringstellen. Am Rhein sind es 32, an denen Proben genommen und per Elektrobefischung Zahl und Größe der Fische ermittelt werden.

Das macht auch Nikola Theißen mithilfe mehrerer Kollegen. Ihr Kescher kann unter Strom gesetzt werden. Die Batterie tragen sie in einem Rucksack, dazu haben sie einen Schaltkasten vor dem Bauch. „Damit kann man die Spannung einstellen und ein- und ausschalten“, erklärt Theißen. Wenn ein Fisch in ihrer Nähe ist, setzt sie den Kescher unter Strom. Ist der Fisch nah genug, wird er kurzzeitig betäubt, so dass die Art geprüft werden kann. Ist er weiter weg, lockt ihn die Spannung in das Netz. „Es ist die schonendste Art und Weise, Fische zu zählen.“

Attraktiver Anglerfluss

„Grundel, bis zehn“, ruft sie ihrem Kollegen zu, als sie den kleinen Fisch im Kescher aus dem Wasser hebt. Die Art sei ein Zeichen, dass der Fluss durchgängig sei, berichtet Theißen. Ursprünglich kommen die Grundeln aus der Donau. Mit Schiffen und über den Main-Donau-Kanal kamen sie in den Rhein. Heute sind sie ein Problem. Staas sagt: „Die haben in kürzester Zeit Massenvorkommen aufgebaut.“ Es sei noch nicht absehbar, welche Auswirkungen die neue Art habe. „Die Angler fangen gar nichts anderes mehr als Grundeln.“

Staas sieht aber auch positive Entwicklungen. Von den ursprünglich im Rhein vorhandenen Arten fehle nur noch der Stör. Die Wiederansiedlung sei in weiter Ferne. Vor einigen Jahrzehnten sei der Fluss allerdings für Fischer kaum nutzbar gewesen. Damals sei niemand auf die Idee gekommen, einen Fisch zu essen, weil die Tiere aus dem Maul stanken. Inzwischen stellt die Rheinfischereigenossenschaft nach eigenen Angaben pro Jahr bis zu 34.000 Erlaubnisscheine für Angler aus. „Er hat sich zu einem attraktiven Anglerfluss entwickelt“, sagt der Geschäftsführer.

Autor: Helena Baers | dapd
Foto: Rhein bei Köln