Köln | Der Kinderschutzbund Köln wünscht sich einen zeitgemäßeren Blick auf das Aufwachsen von Kindern in unterschiedlichen Familienverhältnissen und zielgenauere Hilfeangebote in der Unterstützung von Familien.  Vor allem die frühkindliche Betreuung müsse ausgebaut werden. Präventivmaßnahmen, vor allem in der   Betreuung von Eltern mit Kleinkindern müsse künftig ein höherer Stellenwert eingeräumt werden, so Marlis Herterich, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Köln, bei dessen Jahrespressekonferenz 2013.

Ein großer Kritikpunkt sei die aktuelle Familienpolitik, die „noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist“, so Herterich. Diese orientiere sich immer noch an einem „klassischen“ Familienbild, in dem der Vater arbeite und die Mutter zu Hause bleibe, um die Kinder zu versorgen. Dies lasse sich unter anderem bei Leistungen wie dem „Ehegattensplitting“ aufzeigen. Ein Hauptproblem der geltenden Familiengesetze sei, dass Familien ohne finanzielle Schwierigkeiten durch das System zusätzlich belohnt würden. Finanziell schwächer Aufgestellte, im Speziellen Alleinerziehende würden hingegen benachteiligt. Der Mangel an Versorgungsangeboten für Kinder, vor allem in der Frühbetreuung, lasse dies häufig nicht zu. Auch bemängelte Heterich die Bedingungen vieler Arbeitsstellen, die es nicht zuließen, Job und Kind zu unter einen Hut zu bekommen. Heterich fordert hier eine Hinwendung hin zu einer „echten Kinderpolitik“ mit eigener Grundsicherung, familienfreundlichen Arbeitsbedingungen für die Eltern. Außerdem müssten kostenfreie Unterstützungs- und Kinderbetreuungsangebote angeboten werden,  die sich den aktuellen Familienbedingungen anpassten. So seien Familie und Beruf in vielen Familien immer noch schwierig zu vereinbaren.

Veränderte Herausforderungen – wachsende Aufgaben

Renate Blum-Maurice, Fachleiterin des Kinderschutzbundes Köln, erläuterte praktische Anliegen und Konsequenzen für das Kinderschutzzentrum, die sich aus der gegenwärtigen Situation ergäben. Einerseits würden die Anforderungen an die Persönlichkeitsbildung und die Bildung von Kindern und Jugendlichen immer anspruchsvoller und differenzierter. Andererseits lebten viele Familien unter Bedingungen, die es ihnen schwer machten, diesen Anforderungen im familiären Rahmen gerecht zu werden, so Blum-Maurice zu den Herausforderungen, mit denen ihre Einrichtungen konfrontiert seien. Dies ließe sich auch an der Entwicklung der Zahlen des Kinderschutzzentrums über die letzten sechs Jahre ablesen. So stieg in diesem Zeitraum der Anteil der von Trennung oder Scheidung betroffenen Familien von 49 auf 70 Prozent, der Anteil der vom Jugendamt empfohlenen oder überwiesenen Familien von zwölf auf 33 Prozent. 39 Prozent der Familien hätten Migrationshintergrund. Der Anteil der Fälle, in denen eine explizite Gewaltproblematik bestehe, liege seit Jahren bei rund 50 Prozent. Indes sei sexueller Missbrauch als Anmeldegrund bei den Einrichtungen des Kinderschutzbundes von 19 auf 29 Prozent gestiegen.  Im Jahr 2012 fanden durch den Kinderschutzbund Köln Beratungen für 2.500 Kinder aus 1.200 Familien statt. Hinzu kämen rund 11.000 telefonische Anfragen, die im selben Zeitraum bearbeitet wurden, so Blum-Maurice. Trotz wachsender Aufgaben arbeite man seit 20 Jahren mit der selben Personalstärke, die immer mehr an ihre Grenzen stoße. Zwei zusätzliche Vollzeitkräften könnten hier zu einer deutlichen Entlastung beitragen.    

Präventivmaßnahmen und Frühbetreuung

Von Beginn an trage der Kinderschutzbund Köln praktische Hilfen für Familien mit besonderen Belastungen zum Hilfesystem in Köln bei und passe seine Angebote ständig den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an. So etwa bei der Intensivbetreuung „Spiel-Raum“für benachteiligte Mütter mit Kleinkindern. In enger Vernetzung mit anderen Trägern der Jugendhilfe und des Gesundheitswesens richte sich diese Art der Betreuung in zwei Häusern des Kölner Kinderschutzbundes in Kalk und Bayenthal besonders an Alleinerziehende, die Unterstützung bei der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder unter drei Jahren benötigten, erklärte Blum-Maurice . Dreimal pro Woche würden in den beiden Häusern insgesamt 18 jungen Familien Unterstützung und – ebenso wichtig – einen Austausch mit anderen Eltern bekommen. Betreut werden sie dabei von Fachkräften des Kinderschutzbundes sowie des Zentrums für Frühbehandlung und Frühförderung. Nachdem die beiden Projekte zunächst für vier Jahre durch Spenden finanziert worden seien, habe nun die Stadt die Kosten hierfür übernommen. Von den Sparmaßnahmen der Stadt im Doppelhaushalt 2013/2014 sei man nicht betroffen.

Autor: Daniel Deininger
Foto: Die Intensivbetreuung „Spiel-Raum“für benachteiligte Mütter mit Kleinkindern bietet der Kinderschutzbund Köln in Kalk seit 2003 und in Bayenthal seit 2007 an. Hier eine Gruppe in Bayenthal beim gemeinsamen Kochen.