Köln | In einer gemeinsamen wissenschaftlichen Untersuchung sind Verhaltensökonominnen und -ökonomen der Universitäten in Magdeburg und Köln den Motiven für die zunehmende Staatsverschuldung in vielen Industrieländern nachgegangen. Ihr Fazit fällt überraschend aus.

Demnach ist die treibende Kraft, die sich hinter der Aufnahme neuer Staatsschulden verbirgt, offenbar ein sehr egoistischer. Die Verantwortlichen wollen die durch Verschuldung zur Verfügung stehenden Mittel für den eigenen Konsum nutzen und hoffen, die Lasten der Rückführung auf die nächste Generation abzuwälzen. In den offiziellen Verlautbarungen klingt das natürlich ganz anders, was möglicherweise auch die implizite Zustimmung der Bevölkerung zu erklären vermag.

Hintergrund der Erkenntnisse ist ein umfangreiches Laborexperiment der Verhaltensforscher aus Magdeburg und Köln. Dabei untersuchten die Forscherinnen und Forscher unter anderem die Wirkung von Schuldenbremsen sowie die Wirkungen von zwischenmenschlichen Verbindungen zwischen den Generationen. Tatsächlich änderte sich an dem Drang zur Verschuldung erst einmal nichts. Alle untersuchten Generationen entschieden sich grundsätzlich zu ihrem eigenen Vorteil, nach Ansicht der Verhaltensforscher ein ausgesprochen rationaler Ansatz. Denn die Nutzung der Schulden zum eigenen Konsum geschah in voller Absicht und nicht etwa aus Versehen.

In alternden Gesellschaften scheint sich diese Problematik sogar noch zu verschärfen, wie die Wissenschaftler weiter herausfanden. Das habe in einigen Ländern dazu geführt, dass die Verschuldung der eigenen Haushalte zu einer Staatsschuldenkrise auswuchsen, wie Prof. Dr. Joachim Weimann von der Uni Magdeburg konstatierte. Paradebeispiel für dieses Verhalten sei die USA. In regelmäßigen und immer kürzeren Abständen steht die einzig verbliebene Supermacht vor der Zahlungsunfähigkeit. Schuldengrenzen werden einfach aufgehoben, wenn sie greifen sollen. „Je einfacher es ist, Schulden zu machen, umso bedenkenloser werden sie aufgenommen“, so Weimann weiter.

Laborergebnisse sind signifikant für die Realität

Zwar fand die Untersuchungen unter Laborbedingungen statt. Doch viele Verhaltensweisen und Argumentationen finden sich auch in der realen Welt wieder. Die Forscher raten dazu, die institutionellen Beschränkungen für die Aufnahme neuer Staatsschulden restriktiver als bisher zu handhaben.

Die Ergebnisse selbst überraschten die Verhaltensforscher, wie Weimann eingestand. „Menschen sind gewöhnlich in einem gewissen Umfang uneigennützig und rücksichtsvoll, verhalten sich, wie wir sagen, reziprok, also neigen dazu, soziales Verhalten mit eigenem sozialen Verhalten zu erwidern. Bei aufeinanderfolgenden Generationen war bei unserer Studie davon aber fast nichts mehr zu spüren“, resümierte Weimann die Ergebnisse der Studie.

[infobox]Die Studie und ihre Ergebnisse sind im renommierten Fachmagazin „Open Access Journal veröffentlicht worden. Quelle: Martin Fochmann, Florian Sachs, Karim Sadrieh und Joachim Weimann, The Two Sides of Public Debt: Intergenerational Altruism and Burden Shifting, PLoS ONE 2018, 13(8): e0202963.

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Autor: rk