Brühl | In einem großen Kreis sitzen Hunderte Kinder auf einer Wiese in Brühl und essen zu Mittag, andere schlurfen ganz entspannt aus dem Freiluft-Waschbereich, der lediglich mit einigen Stoffwänden von den Blicken Neugieriger getrennt ist. Alle Kinder eint die Farbe ihres Hemdes: Mit dem khakifarbenen Oberteil sind sie leicht als Pfadfinder zu erkennen. Die vielen Teilnehmer am Bundessingfest des Deutschen Pfadfinderbundes beweisen: Auch im Zeitalter von Computer, Internet und digitalen Netzwerken bleibt das Spielen und Leben in der Natur für Kinder interessant.

Mehr als 50.000 Pfadfinder gibt es nach Angaben der Landesverbände vom Deutschen Pfadfinderverband (DPV) und dem Ring Deutscher Pfadfinder (RDP) in Nordrhein-Westfalen. „Die Zahl bleibt konstant“, sagt der stellvertretende DPV-Landesvorsitzende Stefan Schmitz. Auch Régis Triller vom RDP NRW betont: „Pfadfinden ist immer noch en vogue“. Das liege daran, dass sie ein gutes Image hätten.

Urlaub ohne Eltern

Der zwölfjährige Nico trägt auf seinem Hemd stolz das internationale Erkennungszeichen der Pfadfinder: die Lilie. Mit Grasflecken auf der Jeans turnt er mit einem Freund auf der Wiese rum. Er berichtet, ihm gehe es bei den Pfadfindern besonders um den Spaß mit Freunden und den Umgang mit der Natur. „Die Natur macht mir Spaß“, berichtet er. Er habe auch gelernt, mit Feuer umzugehen und sei seiner Gruppe nach Südfrankreich gefahren – ohne Eltern oder einen erwachsenen Betreuer.

Auf diesen sogenannten Hikes wandern die Pfadfinder in kleinen Gruppen durch ein festgelegtes Gebiet, berichtet Schmitz. Jeder trägt sein Zelt und seine Sachen. „Handys sind dann verboten“, betont er. Dann sind die Pfadfinder auf sich allein gestellt, und sollen in der Natur überleben. Dafür müssen sie Feuer machen, Spuren lesen und auskundschaften können. Die Kinder lernten so auch, in der Gemeinschaft zu leben und miteinander klarzukommen, auch wenn es an sechs von zehn Tagen regne. „Die Schule kann das nicht mehr leisten“, sagt Schmitz.

Der 21-Jährige Felix ist seit elf Jahren bei den Pfadfindern und studiert inzwischen Jura. Jetzt steht er barfuß auf der Wiese in Brühl, in seiner Brusttasche zwei Zahnbürsten und Schmutz in seinem Gesicht. Er sei damals wegen der Gemeinschaft zu den Pfadfindern gekommen, sagt er. Im Verein habe er auch viel gelernt, was ihm auch im Leben weiterhelfe. „Verantwortungsgefühl, Engagement, Rücksicht auf die Umwelt“, zählt Felix auf. Er plane Veranstaltungen für mehrere Hundert Menschen und führe eine Gruppe Zehnjähriger durch die Wildnis.

Nicht alle Kommilitonen haben Verständnis für sein Hobby, berichtet der Student. Einige hielten ihn für „bescheuert“ und wunderten sich, dass er lieber mit einer Horde Jungen drei Wochen nach Norwegen zum Zelten fahre, statt im spanischen Lloret de Mar mit Gleichaltrigen zu feiern.

Kinder sind weiter weg von der Natur

Stefan Schmitz berichtet, auch wenn die Mitgliedszahlen konstant bleiben, seien die Kinder heute anders als noch vor einigen Jahren. „Die Kinder heute sind weiter weg von der Natur“, allein die Freizeitgestaltung sei völlig anders. „Dieses Spielen in Nachbars Garten, das gibt es ja gar nicht mehr, sagt er. Außerdem seien es die Kinder gewohnt, dass ständig ein Programm für sie gemacht werde. Das ist bei den Pfadfindern anders, was auch ihren Reiz für die Kinder ausmacht.

Dort gilt das Prinzip „Jugend führt Jugend“, außerdem entscheiden die Kinder in ihren Gruppen selbst, welches Thema sie in ihrem wöchentlichen Treffen behandelt, beispielsweise Handarbeit oder Naturkunde. Noch immer gilt das weltweite Pfadfinder-Motto „allzeit bereit“. Schmitz betont jedoch, trotz der inzwischen nicht alltäglichen Beschäftigung mit der Natur: „Pfadfinder sind keine Sonderlinge.“

Autor: Helena Baers, dapd | Foto: Hermann J. Knippertz/dapd
Foto: Weibliche Pfadfinder unterhalten sich in einem Pfadfinder-Zeltlager auf der Maigler Wiese in Brühl. Mehr als 50.000 Pfadfinder gibt es nach Angaben der Landesverbände vom Deutschen Pfadfinderverband (DPV) und dem Ring Deutscher Pfadfinder (RDP) in Nordrhein-Westfalen.