Köln | In einer psychologischen Studie hat eine Wissenschaftlerin des Social Cognition Center Cologne (SoCCCo) sich mit dem Gefühl der Schadenfreude beschäftigt. Das ist nach dem Vorrunden-Aus des erklärten WM-Favoriten Deutschland aktueller denn je.

Für die Psychologin Lea Boecker vom Social Cognition Center Cologne (SoCCCo) war das frühe WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft Anlass, sich erneut mit dem Phänomen der Schadenfreude auseinanderzusetzen. Dabei legte sie ihren Fokus weniger auf die Analyse, wie es dazu kommen konnte, sondern vielmehr, welche emotionalen Reaktionen verschiedener Gruppen zu beobachten waren. Die wichtigste erkenntnis dabei war: Vor allem ausländische Fußballfans empfanden Schadenfreude über das WM-Aus der deutschen Kicker.

Innerhalb von zwei Tagen nach dem Aus der DFB-Auswahl befragte Boecker 131 ausländischen Fans (hauptsächlich aus England) sowie 102 deutsche Fans. Die internationalen Fans empfanden mehr Schadenfreude und weniger Mitleid als die deutschen. Sie gaben an, die Niederlage als „befriedigend“ zu empfinden und „sich ein Lachen nicht verkneifen zu können“. Die Schadenfreude war umso stärker, je weniger die Probanden und Probandinnen die deutsche Nationalmannschaft mochten – sowohl die deutschen als auch die internationalen.

Außerdem empfanden sie intensivere Schadenfreude, je dominanter sie die deutsche Mannschaft eingeschätzt hatten und je mehr sie fanden, dass der Misserfolg verdient war. Die Studie zeigt außerdem, dass die deutsche Nationalmannschaft nach dem Ausscheiden aus dem Turnier an Ansehen und Dominanz verloren hat. Interessanterweise sank ihr Ansehen stärker in den Augen der deutschen Fans im Vergleich zu den ausländischen. Die deutschen Fans waren auch stärker der Meinung, dass das Ausscheiden verdient war.

Rückschlüsse auf menschliches Verhalten im allgemeinen

Durch diese Ergebnisse kann die Psychologin allgemeine Rückschlüsse auf menschliches Verhalten ziehen: „Der öffentliche Ausdruck von Schadenfreude, wie er die letzte Woche in der internationalen Presse zu beobachten war, tritt vor allem bei Misserfolgen von Personen oder Gruppen mit einem hohen Status auf, die als dominant wahrgenommen werden“, so Lea Boecker. Der Ausdruck von Schadenfreude kann dazu dienen, diese Dominanz zu verringern.

Das belegt auch eine Reihe kürzlich veröffentlichter Experimente, die Boecker gemeinsam mit Jens Lange von der Universität Amsterdam durchgeführt hat und demnächst in der Fachzeitschrift „Emotion“ erscheinen wird. In sieben Studien mit über 2.300 Teilnehmern und Teilnehmerinnen untersuchten sie, wie Menschen auf Misserfolge von Personen reagieren, die einen höheren Status haben als sie selbst. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen vor allem gegenüber Personen Schadenfreude empfinden, die bei Erfolgen Dominanz ausdrücken. Der öffentliche Ausdruck von Schadenfreude reguliert diese Dominanz.

In einer weiteren Studie hat Boecker bereits im Jahr 2015 gezeigt, dass auch deutsche Fußballfans beim Misserfolg von Konkurrenten Häme zeigen. In einem Laborexperiment, das während der Europameisterschaft 2012 durchgeführt wurde, drückten deutsche Fußballfans starke Schadenfreude aus, als ihnen Videos verschossener Elfmeter der niederländischen Nationalmannschaft vorgespielt wurden. Ihr Schadenfreudelachen war sogar intensiver als das Freudelachen bei getroffenen Elfmetern der deutschen Nationalmannschaft. Getreu dem Sprichwort: „Schadenfreude ist die schönste Freude“.

Das Social Cognition Center Cologne (SoCCCo) ist an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln angesiedelt. Forscherinnen und Forscher untersuchen dort die psychologischen Grundlagen menschlichen Handelns und die ihm zugrundeliegenden kognitiven Prozesse.

Die Vollversion der Studie mit dem Namen: „Lange, J., & Boecker, L. (im Druck). Schadenfreude as social-functional dominance regulator. Emotion. DOI: 10.1037/emo0000454“ ist auch online abrufbar unter der Kurz-URL: https://osf.io/xcp2u/

Autor: rk
Foto: Noch steht der Nachfolger Deutschlands als Weltmeister nicht fest. Das frühe WM-Aus der Mannschaft hat gerade bei ausländischen Fans für viel Schadenfreude gesorgt. Anlass für eine wissenschaftliche Untersuchung einer Kölner Psychologin.