Köln | Köln ist ein wichtiger Logistikstandort und Verkehrsknotenpunkt in Europa. Für zahlreiche Infrastrukturbereiche ist dabei der Bund verantwortlich.  Report-k.de befragte CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und die Piraten in Interviews zu ihren Verkehrs-Plänen nach der Bundestagswahl 2013. Nicht alle haben sich dazu bis heute geäußert, diese Interviews werden nachgeliefert. Martin Dörmann, MdB und Kölner SPD-Direktkandidat, erklärt im Interview, warum die SPD ein „Nationales Verkehrswegeprogramm“ aufstellen will, wie neue Maßnahmen finanziert werden sollen und warum eine Verteilung der Gelder nach Himmelsrichtung heute nicht mehr gerecht ist.

Report-k.de: Köln ist ein wichtiger Logistikstandort und Verkehrsknotenpunkt in Europa. Wie soll die Region in den nächsten Jahren gefördert werden? Und wie viel Geld soll der Bund für die Region Köln in die Hand nehmen?

Martin Dörmann: Die Bundesregierung investiert in die Verkehrsinfrastruktur derzeit zu wenig und mit oftmals falschen Prioritäten. Die Folge sind Kapazitätsengpässe und Staus, zu wenig Schutz vor Verkehrslärm, Verfehlung der Klimaschutzziele und ein zunehmender Verfall der Infrastruktur durch fehlende Instandhaltung. Die Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur hat dazu geführt, dass wichtige Neu- und Ausbauvorhaben, etwa die Anbindung der deutschen und der so genannten ZARA-Seehäfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) an das deutsche Hinterland und der Ausbau wichtiger Bahnknoten wie Köln, unterbleiben oder nur sehr schleppend vorankommen. Zugleich schreitet der Verfall der vorhandenen Infrastruktur voran, weil die Mittel für deren Erhalt nicht reichen. Deutschland lebt von der Substanz.

Als Kölner Bundestagsabgeordneter kämpfe ich in Berlin dafür, dass Köln und das Umland als Verkehrsknoten mit überregionaler Bedeutung angemessen berücksichtigt werden. Die SPD setzt sich dafür ein, dass im Rahmen einer bundesweiten Netzplanung der Bundesverkehrswege bis 2015 ein realistischer Verkehrswegeplan erstellt wird. Im Zuge der Vorbereitungen setze ich mich dafür ein, dass die Kölner Projekte gemäß ihrer überregionalen Bedeutung bewertet und eingeordnet werden. Einige der notwendigen Projekte werden auch mit Landesmitteln unterstützt. Wegen der Vielzahl der Maßnahmen ist ein genaues Gesamtvolumen des Bundes noch nicht präzise darzustellen. Da nicht alle Projekte in einem Jahr zu realisieren sind, dürften die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt in einem zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr liegen.

Was ist Ihrer Meinung nach wichtiger: Die vorhandene Infrastruktur, insbesondere die Rheinbrücken zu sanieren, sie auszubauen oder beides parallel?

Wie dramatisch der Verschleiß der Verkehrswege ist, zeigt der Zustand der Bundesfernstraßenbrücken: Rund 14 Prozent der Gesamtbrückenfläche im Bereich der Bundesfernstraßen sind so marode, dass dringender Instandhaltungsbedarf besteht (Zustandsnote schlechter als 3,0, d.h. „nicht mehr ausreichender Bauwerkszustand“). Bei 302 Bundesfernstraßenbrücken ist sogar eine umgehende Instandsetzung bzw. Erneuerung erforderlich. Allein Nordrhein-Westfalen musste zahlreiche Autobahnbrücken für Schwertransporte sperren. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren hier fast die Hälfte aller Großbrücken ertüchtigt oder neu gebaut werden müssen. Von den bislang 112 Brücken, deren Statik nachgerechnet worden ist, müssen in NRW 49 erneuert werden.
Für mich steht angesichts der dramatischen Zahlen der Erhalt und die Sanierung der Rheinbrücken an vorderster Stelle. Angesichts der Tatsache, dass die Rheinbrücken aber auch ein echtes Nadelör für die Verkehrströme in unserer Region darstellen, müssen wir in einem zweiten Schritt über die Erweiterung nachdenken. Eine Realisierung wird jedoch angesichts der knappen finanziellen Mittel kein Projekt sein, das wir kurzfristig umsetzen können. Wer das den Menschen verspricht, macht den Bürgern etwas vor.

Der Bund hält derzeit finanzielle Mittel für die Infrastruktur in NRW zurück. Wie stehen Sie dazu?

Ich halte es für einen unglaublichen Vorgang, dass der bayerische Bundesverkehrsminister mit den Steuergeldern des Bundes Wahlkampf für seine CSU-Freunde mit dem Spaten macht und einmal sinngemäß bei einer Vorstandswahl damit geworben hat, er bringe ja das Geld nach Bayern. Die SPD wird damit Schluss machen und die Gelder nicht mehr nach Himmelsrichtungen investieren, sondern dort, wo es innerhalb des bundesweiten Verkehrsnetzes Sinn macht. Wir wollen beim Aus- und Neubau eine klare Priorität bei der Beseitigung von Engpässen und dem Ausbau hoch belasteter Hauptachsen, Seehafenhinterlandanbindungen und Knoten setzen. Hierfür wollen wir ein „Nationales Verkehrswegeprogramm“ auflegen, in das 80 Prozent der Neu- und Ausbaumittel fließen. Zentraler Bestandteil muss ein Programm zur Engpassbeseitigung und Staureduzierung auf Autobahnen sein. Die Finanzierung muss außerhalb der Länderquote erfolgen und im Bundeshaushalt auf fünf Jahre fixiert werden.

Am Kölner Hauptbahnhof und an der Steinstraße staut sich der Eisenbahnverkehr. In welchem Zeitfenster sehen Sie den Ausbau des Eisenbahnverkehrs in Köln, sowohl im Personen-, als auch Güterverkehr, Stichwort Eiserner Rhein, Anbindung Antwerpen an?

Mein Ziel ist es, dass es zu einem zügigen Ausbau des Bahnknotens in Köln kommt. Das Problem ist, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung bisher nicht genug Gelder zur Verfügung stellt. Die Menschen haben in unserer Stadt schon viel zu lange auf die Realisierung der Projekte gewartet. Fakt ist, dass Bundesverkehrsminister Ramsauer vier Jahre weitgehend die Hände in den Schoß gelegt hat. Die SPD will in der neuen Legislatur die Investitionsmittel des Bundes für Verkehrsprojekte um insgesamt 2 Milliarden Euro erhöhen. Voraussetzung dafür ist, dass wir unsere Pläne zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Großverdiener und die Ausdehnung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen umsetzen können. Sofern das geglückt ist, können wir die Verkehrsprojekte schneller vorantreiben und eine genaue Planung zur schnelleren zeitlichen Umsetzung vorlegen. Dabei geht es nicht um eine einzelne Maßnahme, vielmehr erfolgt der Ausbau des Bahnknotens Köln durch ein Bündel von Einzelprojekten, die zwischen Bund und dem Land abzustimmen sind.

Nicht nur in Köln fließt der Rhein mitten durch die Umweltzone. Während für Autos und Lkws strenge Auflagen gelten, gibt es für Rheinschiffe nur eine freiwillige Verpflichtung. Sollte es auch für Rheinschiffe eine gesetzliche Regelung geben?

Unser Ziel ist es, mehr Verkehre auf die Binnenflüsse und damit auf den Rhein zu verlagern. Das entlastet die Straße und Schienenwege und führt zu einer besseren Umweltbilanz von Transport und Logistik in Deutschland. Natürlich darf die Rheinschifffahrt nicht ihren ökologischen Vorsprung gegenüber der Straße und Schiene dadurch kaputt machen, indem es die Luft durch Abgase und Feinstaub verpestet. Entsprechend sollten wir uns anschauen, was die freiwillige Selbstverpflichtung gebracht hat und gegebenenfalls über gesetzliche Vorschriften nachdenken.

Provokant gefragt: Im Osten wird mit Hilfe des Solidaritäts-Beitrages die Infrastruktur saniert, während im Westen das Geld dafür fehlt. Ist der Solidaritätsbeitrag heute noch gerecht?

Zunächst ist zu differenzieren: der Solidaritätsbeitrag wird von allen Steuerzahlern in Ost und West gezahlt und fließt ohne eine bestimmte Zweckbindung in den Bundeshaushalt. Ob er abgeschafft werden kann, hängt also entscheidend von der Haushaltslage ab. Gelingt es, die Schuldenbremse einzuhalten und dennoch die notwenigen Investitionen in Bildung, die Infrastruktur oder für Kommunen (in ganz Deutschland) darzustellen?

Vom Solidaritätsbeitrag zu unterscheiden ist der Solidarpakt II, der bis 2019 zwischen dem Bund und den Ländern fest vereinbart ist. Korb I umfasst gesetzlich fixierte Bundesergänzungszuweisungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs, Korb II sonstige Zuweisungen des Bundes, von denen die neuen mehr als die alten Länder erhalten. Ich halte es für richtig, dass nach Auslaufen des Solidarpaktes II im Falle einer Fortsetzungsvereinbarung eine neue Aufschlüsselung der Mittel erfolgt. Dabei sollte es grundsätzlich nicht mehr nach Himmelsrichtung sondern anhand objektiver Kriterien nach Bedürftigkeit gehen.

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Autor: Frida Baumgarten | Foto: PR
Foto: Martin Dörmann, MdB und SPD-Direktkandidat für den Wahlkreis Köln I