Köln | Köln ist ein wichtiger Logistikstandort und Verkehrsknotenpunkt in Europa. Für zahlreiche Infrastrukturbereiche ist dabei der Bund verantwortlich.  Report-k.de befragte CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und die Piraten in Interviews zu ihren Verkehrs-Plänen nach der Bundestagswahl 2013. Nicht alle haben sich dazu bis heute geäußert, diese Interviews werden nachgeliefert. Michael Weisenstein, Kölner Direktkandidat DER LINKEN, kritisiert im Interview, die Bundesregierung für „taktische Spielchen“ und fordert den Ausbau des Kölner Bahnknotens.

Report-k.de: Köln ist ein wichtiger Logistikstandort und Verkehrsknotenpunkt in Europa.Wie soll die Region in den nächsten Jahren gefördert werden? Und wie viel Geld soll der Bund für die Region Köln in die Hand nehmen?

Michael Weisenstein: DIE LINKE will Güterverkehr vorrangig auf Schiene und Wasser verlagern. Der Ausbau des Bahnknotens muss endlich in Angriff genommen werden. Hier muss der Bund Druck auf die Deutsche Bahn ausüben, die den Ausbau des Deutzer Bahnhofs immer wieder verschoben hat. Wir wollen eine Entlastung des Hauptbahnhofs durch teilweise Auslagerung des Fernverkehrs nach Deutz. Wir wollen mehr Güter von der Straße auf die Schiene bringen. Hier muss investiert werden. Der Bau des Eisernen Rheins wäre ein wichtiger Schritt bei der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Das Kölner Hafenkonzept muss überarbeitet werden. Wir sind uns sicher, dass noch viel Potential insbesondere im Niehler Hafen steckt und deshalb auch auf den Ausbau von Godorf verzichtet werden kann.Der Hafen in Deutz muss als Hafen erhalten bleiben. Neben dem Ausbau des Deutzer Bahnhofs muss der Lückenschluss im S-Bahn-Netz im Kölner Süden erfolgen. Wie viele Bundesmittel diese Projekte nötig machen, kann zur Zeit seriös nicht abgeschätzt werden.  

Was ist Ihrer Meinung nach wichtiger: Die vorhandene Infrastruktur, insbesondere die Rheinbrücken zu sanieren, sie auszubauen oder beides parallel?

Für uns ist es vordringlich bestehende Verkehrswege, insbesondere die Rheinbrücken, zu sanieren. Hier geht es um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, die absoluten Vorrang hat. In Sachen „Infrastruktur ausbauen“ ist die Frage, welche Infrastruktur Sie meinen. Bisher ist die Autoinfrastruktur bevorzugt ausgebaut worden. Danach kam lange nichts. Das muss sich ändern. Im Bereich Radverkehr und Verzahnung verschiedener Verkehrsmittel hat Köln großen Nachholbedarf. Trotz des Kölner Fahrradbeauftragten und einem rapide wachsenden Radverkehr tut sich viel zu wenig. Paris hat seine Stadtautobahn am Seineufer weitgehend für Autos gesperrt und für Fußgänger und Radfahrer freigegeben. Auch in anderen Großstädten wie London wird das Verkehrssystem in atemberaubender Geschwindigkeit zugunsten von Radverkehr und öffentlichem Nahverkehr umgebaut. Köln darf diese Zeichen der Zeit nicht verschlafen, sonst wird es zum verkehrspolitischen Dinosaurier. 

Wir sind uns sicher, dass das letztlich auch die meisten Bürger wollen. Doch um solche Entscheidungen nicht über sie, sondern mit ihnen zu treffen, haben wir für Verkehrsfragen Bürgerräte in unser Wahlprogramm aufgenommen. „Diese Beiräte setzen sich zusammen aus Interessenvertretungen der Fahrgäste, Beschäftigten, Umweltverbänden, Bürgerinnen und Bürgern, die gemeinsam mit Parlamenten über Anforderungen, langfristige Investitionen und die Ausgestaltung der vernetzten Mobilitätsdienstleistungen entscheiden“, so unser Wahlprogramm.

Der Bund hält derzeit finanzielle Mittel für die Infrastruktur in NRW zurück. Wie stehen Sie dazu?

Es ist immer wieder dasselbe unwürdige Spiel auf Kosten der Bürger. Bundesregierungen neigen dazu, Bundesländer mit derselben politischen Regierungskonstellation zu bevorzugen, „feindliche“ Länderregierungen finanziell eher stiefmütterlich zu behandeln. Diese taktischen Spielchen haben das Niveau von Kleinkinderstreits im Sandkasten. Die Wähler und Wählerinnen haben hier die Erziehungsaufgabe: Sie müssen der Bundesregierung auf die Finger hauen und sagen: So geht’s nicht!

Am Kölner Hauptbahnhof und an der Steinstraße staut sich der Eisenbahnverkehr. In welchem Zeitfenster sehen Sie den Ausbau des Eisenbahnverkehrs in Köln, sowohl im Personen-, als auch Güterverkehr, Stichwort Eiserner Rhein, Anbindung Antwerpen an?

Ich bin weder Ingenieur noch Verwaltungsbeamter. Jede Festlegung auf Zeiträume wäre ein Schuss ins Blaue. Ich wünsche mir, dass Verfahren dort gestrafft werden, wo es sinnvoll ist und demokratische Rechte nicht beschnitten werden. Im Klartext: Das Beteiligungsverfahren von Anwohnern und Betroffenen darf nicht ausgehebelt werden. Aber: je wichtiger Politik ein Vorhaben nimmt, desto engagierter arbeiten die Beteiligten. Dazu braucht es eine Verwaltung, die personell ausreichend mit Fachkräften ausgestattet ist. Leider hat der Konsolidierungswahn in der öffentlichen Verwaltung hier zu einem regelrechten Ausbluten geführt, ebenso wie der Druck bei der Deutschen Bahn, Personalkosten zu senken, um für einen Börsengang attraktiv zu werden. 

Nicht nur in Köln fließt der Rhein mitten durch die Umweltzone. Während für Autos und Lkws strenge Auflagen gelten, gibt es für Rheinschiffe nur eine freiwillige Verpflichtung. Sollte es auch für Rheinschiffe eine gesetzliche Regelung geben?

Man muss kein LINKER sein, um freiwillige Verpflichtungen der Wirtschaft kritisch zu sehen. Allein um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, hält sich keiner dran. Uns ist allerdings auch eine Interessenabwägung wichtig. In der Gesamtbilanz schneiden Schiffe ökologisch gut ab. Setzt man die Schadstoffe, die sie produzieren, ins Verhältnis zu den Tonnen an Gütern, die sie transportieren, dann haben sie eine wesentlich bessere Ökobilanz als Lastwagen. Es gibt extrem wenig Kölner, die von ihren Abgasen unmittelbar betroffen sind. Wer in einem ehemaligen Hafen eine Wohnung kauft, kann sich nicht hinterher über die Belastungen beschweren, die das Wohnen direkt am Fluss nun mal so mitbringt. Mit der Feinstaubbelastung durch den Autoverkehr liegt die Sache anders. An Straßen wohnen alle Kölner.  

Provokant gefragt: Im Osten wird mit Hilfe des Solidaritäts-Beitrages die Infrastruktur saniert, während im Westen das Geld dafür fehlt. Ist der Solidaritätsbeitrag heute noch gerecht?

Heute fließt der Solidaritätszuschlag, der übrigens auch im Osten erhoben wird, ohne Zweckbindung in den Bundeshaushalt. Fällt er weg, entsteht erst mal ein Loch von 13 Milliarden Euro jährlich. Wir wollen Vermögenseinkommen, große Erbschaften und Finanzgeschäfte wesentlich stärker belasten als bisher. Dadurch erhält der Bund zusätzliche Einnahmen, und der Solidaritätszuschlag kann schrittweise bis zur Abschaffung gesenkt werden.
Es ist eine Mär, dass das Geld für Infrastrukturmaßnahmen im Westen fehlt. Die Steuereinnahmen sind so hoch wie nie zuvor. Sie werden nur für andere Zwecke ausgegeben, z. B. für die Rettung von Banken, die sich für die Anhäufung von persönlichen Vermögen ihrer Vorstände und eine schlechte Geschäftspolitik erst in diese Situation gebracht haben. Davor wurden Unsummen für Steuergeschenke an Unternehmen und Vermögende ausgegeben. Das ist der eigentliche Skandal. Eine Neiddebatte zwischen Ost und West zu schüren ist nur billige Sündenbock-Politik.

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Autor: Frida Baumgarten | Foto: PR
Foto: Michael Weisenstein, Linken-Direktkandidat im Wahlkreis Köln III